Transgenderliches 2 (Lyrik)

Waschen, legen...

 

Willst du dich mal selbst beschenken,

weil du mieser Stimmung bist,

deine Lieben dich nur kränken,

dann hilft dir ein Hairstylist.

 

„Waschen, legen wär´ mal nötig“,

sage ich durchs Telefon.

„Schneiden auch?“ fragt sie erbötig.

„Nein“, sag´ ich, „das reicht dann schon“.

 

Und dann machen wir die Zeit aus,

Donnerstag, um vier Uhr dreißig,

ich fahr´ schon beizeiten raus,

dass ich viel zu früh bin, weiß ich.

 

Doch ich will mich darauf freuen,

was da bald mit ihm geschieht,

meinem Haar, dem nicht mehr neuen,

wie´s in frischem Glanz erblüht.

 

Schön, im Damen-Haar-Salon

auf den freien Stuhl zu  warten:

Magazine, Feuilleton,

Mode- und Gesellschaftssparten.

 

Wie es duftet, raschelt, knistert,

Damen vor- und rückgespiegelt,

einer wird good-bye geflüstert,

deren Schicksal ist besiegelt.

  

Sie, die sich vom Stuhl erhebt,

macht den Platz frei in der Reihe,

an dem ihr Parfum noch klebt,

dessen ich mich bald erfreue.

 

„Bitte hier!“ wird mir befohlen.

„Und wie hätten Sie´s denn gern?“

Ich muss tiefen Atem holen,

fühl´ mich auf ´nem fremden Stern.

 

„Waschen, legen“, sag´ ich schüchtern,

und sie schaut mich zweifelnd an.

„Ja“, sag ich, „bin durchaus nüchtern,

fangen Sie doch einfach an.“

 

Vorwurfsvolle Blicke bohren

sich in meinen breiten Rücken,

fühl´ mich einsam und verloren,

möchte feige mich verdrücken.

 

Rosafarbenes Gewebe

wird mir um den Hals gebunden,

und bei Wäsche und dann Pflege,

an meinem Haar kein Haar gefunden.

 

Rechts von mir wird schon gerollt,

links wird Grauhaar eingefärbt.

Hab´ ich so was auch gewollt?

Ändern, was man mir vererbt?

  

Nun beginnt an meinem Kopf

die bestellte Prozedur.

„Nein, nicht wieder einen Zopf!

Ich will freie Locken nur!“

 

Lockenwickler, großkalibrig

dreht sie in mein Haupthaar ein.

So was, meint sie, sei nicht üblich,

doch ich sag´ ihr, “Es muss sein!“

 

Und dann kommt sie mit der Haube,

dazu Keks und Kaffeetasse.

Sie tut das, damit ich glaube,

dass ich in den Rahmen passe.

 

Überlässt mich dann für Stunden

ungerührt den Neugier-Blicken,

doch ich hab´ herausgefunden,

dass die Blicke mich entzücken.

 

Ganz besonders, wenn am Ende

- Haube endlich abgeschaltet -

sich durch stilgeübte Hände

meine Lockenpracht entfaltet.

 

Ja, dann schau´n sie alle her,

sie beneiden mich um Haare,

und ich weiß, da hab´ ich mehr

als von irgendeiner Ware.

 

An der Kasse dann vorm Geh´n

- ich leg´ durchaus reichlich drauf -

sagt sie: „Auf ein Wiederseh´n!“

Und ihr Lächeln baut mich auf.

 

Im Hinausgeh´n spiegelt sich

meine neue Silhouette,

„Hallo“, sag´ ich, „das bin ich!“

Was ich seh´, ist eine Nette.

 

Vor dem Haus im sanften Wind

fühl´ ich, wie´s mich streichelt,

und ich fühl´ mich wie ein Kind,

das sich für sooo reich hält.

 

Jener Engel der Verwandlung

schaut mir lächelnd hinterher.

Und dann öffnet sich die Wand, und --

Ja, dann sieht man ihn nicht mehr.

 

Bäuerinnenbackstube Burgdorf

 

Es ist zur besten Frühstückszeit.

Das Bauerncafé brummt.

Ich trau mich rein und bin erfreut,

ein Tisch ist frei, für mich bereit.

Und kein Gespräch verstummt.

 

Mein Blick schlägt einen schnelle Kreis:

Nur Frauen hier, die meisten alt,

Die Damenkränzchen, wie ich weiß,

sie reden, lächeln, very nice,

und ihr Kaffee wird kalt.

.

Die schicke Jacke zieh ich aus

und leg‘ den roten Schlauchschal ab

Ich fall‘ nicht aus dem Rahmen raus,

und fühle mich bald wie zu Haus.

Wie gut ich es doch hab!

 

Die Frühstücksfee, sie lacht mich an

und wünscht mir einen guten Tag.

Sie denkt nicht Frau, sie denkt nicht Mann,

sie fragt, was sie mir bringen kann,

und was ich gerne mag.

 

„Hawaii-Toast bitte“, flüstre ich,

„dazu ein Glas Orangensaft“.

„Ja, gern“, sagt sie, notiert es sich,

Sie bringt’s und ich bedanke mich.

Ihr Lächeln gibt mir Kraft.

  

Und ich genieße still und stumm

mein schlichtes Frühstücksmal.

Und bald ist eine Stunde rum,

ich denke, „Ach was bin ich dumm“,

als ich dafür bezahl.

 

„Das könnte ich doch jeden Tag

und überall erleben.“

Ich denke, dass ich etwas wag‘.

Woran das nur bei mir so lag?

Wird sich das niemals geben?“

 

Ich zieh mich an, greif nach dem Stock,

ein Blick noch in die Runde.

Da trifft er mich der Kultur-Schock:

Ich war die einz’ge Frau im Rock.

Doch  nur für eine Stunde. 

 

 

The way I feel on certrain days

is quite unreal in certain ways.

The way I am day in day out,

not worth a damn to fuss about.

 

.Kommentar.

 

....wieder so ein kleiner Einblick in mein Leben, kaum der  Rede wert, und doch  eine Momentaufnahme meines Gefühlslebens, 

 wahrscheinlich  kaum nachzuvollziehen und durchaus selbst ironisch gemeint. Ich  weiß

wie absurd das ist, was ich  so treibe, und dennoch  erfüllt es mich  mit tiefer Befriedigung, es zu wagen, mich  selbst  dabei  auf die Probe zu stellen. 

Erklärung

 

Meine Damen, ich erkläre

mich und sage Ihnen offen,

das, was ich zu sein begehre

und was ich hier gerne wäre,

kann zu sein ich gar nicht hoffen.

 

Meine Hände viel zu riesig,

mein Gesicht ganz ohne Süße,

ich bin groß und stark und schließlich,

und das macht mich schon verdrießlich,

hab ich viel zu breite Füße.

 

Meine unsichtbare Seele

ist zwar fein und zart und weich,

doch der Ton aus meiner Kehle,

selbst die Sprache, die ich wähle,

kommt dem Vorbild niemals gleich.

 

Mir ist all dies schon bekannt,

doch ich seh’n mich unbeschreiblich,

trüge ich ein Fraungewand,

würd‘ ich gar zu gern erkannt.

wäre lieber weiblich.

 

Um auch Sie zu überzeugen,

dass ich die bin, den Sie seh‘n,

würde ich mich Ihnen zeigen,

würde mich dann tief verbeugen

vor dem Von-der-Bühne-Geh’n.

 

 

 

 

Möchte gern

 

Weil ich g’rade mal hier sitze

Und der Kuchen schon geschmeckt hat

Und ich auch nicht vor Angst schwitze,

dass mich irgendwer entdeckt hat,

greife ich zu meinem Bleistift

und zu einem Stück Papier,

hoffe, dass er nicht vorbeitrifft,

denke mir:

 

 

Schön, dass dieses Kaffee-Haus

mir ein kleines bisschen Schutz gibt,

traue mich sonst gar nicht raus,

weil dort niemand meinen Putz liebt,

möchte gerne ungestört

eine andere Person sein

und, wenn man mich überhört,

nicht für andere ein Hohn sein.

 

 

Bin hier Gast und unbescheiden,

denn mein Anblick drängt sich auf,

kann es leider nicht vermeiden,

nehme Aufsehen in Kauf,

möchte gern so klein sein,

dass man mich gar nicht beachtet,

möchte hier auch ganz allein sein,

bin mit mir genug befrachtet.

 

 

Möchte einfach nur verweilen,

tief in meine Träume tauchen,

will an meinen Versen feilen,

Blicke nicht zu fürchten brauchen.

Bin zwar etwas sonderbar,

und das weiß ich sehr genau,

wäre, das ist wirklich wahr,

 gerne… Frau

 

 

Carnevale di Venezia

 

Ein Fest der Masken und der Moden,

verschwenderisch die Üppigkeit,

mit Menschen drin, die sie bewohnen,

Gesichter starr wie von Ikonen,

gefangen in der Künstlichkeit,

 

gehüllt in Prunk und Prachtgewänder,

barocker Rausch in Samt und Seide,

geschmückt mit Schätzen ferner Länder,

Kunstwerke selbst, zugleich ihr Händler.

Ach, wie ich sie beneide.

 

Wenn ich den Glanz und Glamour seh‘

und hör‘ das Karneval-Geschrei,

erfüllt mich tiefes Sehnsuchtsweh.

Ich spür‘, dass ich daneben steh‘

und wär‘ gern mittendrin dabei.

 

Die lebensfroh barocke Frau,

die ich gern wäre, ließ‘ ich frei.

Und mein Gewand wär‘ nicht mehr grau

wär gold und silber, rot und blau.

So wär‘ ich gern dabei.

  

Ich wäre jung, voll Witz und Charme,

voll Übermut und Tändelei.

Zwar als Prinzessin Tugendsam

blieb ich trotz Maske keusch und arm, –

doch immerhin dabei!

 

Doch leider bin, im Hier und Jetzt,

ich fern von meiner Träumerei.

Und, was im Wunschtraum mich ergötzt,

käm eine Fee, wär‘ ich entsetzt:

Sie sagt: „Ihr Wunsch, mein Herr. Es sei.“

 

In Maske und im Frau‘ngewand

aus dem Kostümverleih

berührt mich ihre Feenhand,

raubt mir den männlichen Verstand,

verzaubert mich und lebenslang

wär ich dabei.

 

Wer das geschrieben hat

 

Auf einem kleinen Kunstbazar

da hoffte ich auf Kunden.

Mein erstes Buch war neu und war

von Käufern bisher nicht gefunden.

 

Die alte Dame, die den Stand,

auf dem die Bücher lagen,

entdeckte, fand sie interessant,

begann, mich zu befragen:

 

„Sind Sie´s, der das  geschrieben hat?“

Sie zeigte auf die Seite.

„Ja, das ist meine Dichter-Tat“,

sprach ich mit Dichterfreude.

 

„Die klingen nämlich ganz genau,“

nahm sie den Faden wieder auf,

„als wären sie von einer Frau!“

Und das besiegelte den Kauf.

 

Mein Dichterherz, es freute sich,

man sah es mir wohl an.

Da macht sich wer ´nen Reim auf mich,

und es ist soviel dran!

 

Und meine Tochter neben mir,

sie spürte, was geschah.

Ich hörte in dem Blick von ihr:

„Da freust du dich, Papa!“

 

Ich hab´ die Dame angelacht,

ganz frei und unbeschwert:

„Sie haben´s auf den Punkt gebracht!

Ich fühle mich geehrt.“

  

Kleider machen Leute

 

Sein Anzug – schwarz, blau oder grau

aus schwerem Tweed und Gabardine,

sein Oberhemd – meist mittelblau

und Feinrib, weiß, zum Unterziehn.

 

Dezent der Schlips und blank die Schuh‘

und kein Haar länger als zum Kragen,

die Aktentasche, schwarz, dazu –

so konnte er den Auftritt wagen.

 

Er trug zivile Uniform,

ein Mann vom Scheitel bis zur Sohle!

Sein Bild entsprach perfekt der Norm

am maskulinen Genderpole.

 

Des Nachts zu Haus, wenn‘s niemand sah,

kam er vorm Spiegel unter Tränen

der femininen Seele nah

und seinem eingesperrten Sehnen.

 

Sah sich in fließenden Gewändern

In allen Farben der Natur.

Und sah sein Wesen sich verändern,

und doch war es die Kleidung nur.

 

Doch konnte er sich selber lieben

in der floralen Farbenpracht

und wäre gerne so geblieben

bei Tag – und nicht nur in der Nacht. 

 

Ich möchte

 

Ich möchte dich so gern umarmen

und deine Augen sehn.

Du dürftest alle deine Narben

mir gestehn.

 

Ich möchte dich so gern berühren,

die Haut und auch dein Haar,

dich an der Hand spazieren führen,

so wie es einmal war.

 

Ich möchte deiner Stimme lauschen,

wenn wir das Lied gemeinsam singen,

und Blicke mit dir tauschen,

die in die Seele dringen.

 

Ich möchte deine Freundin sein,

und sei es nur für diesen Tag.

Doch ein paar Leute solln sich freun,

dass ich das wag.

 

Ich will in deine Seelenlandschaft

stumm und staunend schau'n

und unsrer Seelen Wahlverwandschaft

vertrau'n.

 

Ich will ein andres Leben leben

 

Ich will ein andres Leben leben,

ein freundliches, ein friedliches,

ich will von meiner Liebe geben,

und will nicht aufhör’n mit zu weben

ein Netz, ein gütlich-schiedliches.

 

Ich möchte, dass du lächelnd mir begegnest

und weinst, wenn es dir danach ist,

dass du mich frohen Mutes segnest,

und deine Liebe hegst und pflegtest,

du, die du meine Liebste bist.

 

Ich hoffe, das wir kleinen Beiden

es schaffen bis zur Ewigkeit.

Man sagt, der Herr gibt es den Seinen.

Er gibt die Freude und das Leiden,

die Fülle und die Wenigkeit.

 

Ein neues Leben?

 

Wann war  der  erste Tag

von deinem neuen  Leben?

Für den, der  mich  so  fragen  mag,

ist  hier, was ich  ihm darauf sag:

"Es hat  ihn nie gegeben!"

 

Mein Leben  ist  ein altes,

doch  jeden  Tag  auch  neu.

Es ist  bestimmt kein kaltes.

Ich kenne und behalt es.

da ich  mich  daran  freu'.

 

Ich habe nur das  eine,

wie immer es auch  sei.

Komm' ich  mit ihm ins Reine,

dass täglich neu  es scheine,

dann macht's mich  täglich  frei.