Der Adler
Sein rechtes Bein hängt an der Leine.
Die ist knapp einen Meter lang.
Und an dem zweiten Beine
zuckt wie im Krampf der Kralle Fang.
Noch nie in seinem Leben tat er,
was die Natur zu tun befahl,
seit aus dem Nest der Kaiseradler
man ihn als jungen Vogel stahl.
Nun hockt er ausgestellt im Garten:
„Raubvögel hier aus aller Welt!“
Man lässt ihn dort auf Futter warten.
Er kriegt, was ihn am Leben hält,
Sein scharfer Schnabel hackt in Fleisch
von totem Tier aus der Fabrik.
Er macht ein gieriges Gekreisch
um jedes noch so kleine Stück.
Manch Mal bebt müde durch die Schwingen
ein Ruck, ein schlaffer Flugversuch.
Er kann die Fessel nicht bezwingen.
Sein Adlerschrei klingt wie ein Fluch.
Sieht über sich die Möwen kreisen:
„Wofür ist solche Freiheit Lohn?“
Und sie, die ungebunden reisen,
sie schreien wie zum Hohn.
Fliege zum Kaffee
Der Fliege, die im Kaffee schwamm,
bot ich gern meine Hilfe an,
ich tunkte meinen Finger rein,
sie ließ sich darauf ein.
Ich spürte, wie sie zappelte
und auf den Finger krabbelte,
erklomm den Kaffeetassenrand
und war damit an Land.
Ich hab´ den Überlebenskampf
der Kreatur im Kaffeedampf
wie unter meiner Haut gespürt
und war gerührt.
Mich zog der Vorgang in den Bann.
Sie sah mich nicht mal dankbar an,
doch spreizte ihre Flügel schon
und flog auf und davon.
Ich hab´ ihr hinterher geseh´n,
ließ meinen kalten Kaffee steh´n
und sagte mir total brutal:
„Na warte nur, beim nächsten Mal!“
Ich lasse dich dann glatt ersaufen.
Ich werd‘ mir allerdings
‘nen neuen Kaffee kaufen.“
Terrier-Triebe, Terrier-Liebe
Sie hat schon den Seniorenpass
und liebt seitJahren nur platonisch,
vor allem uns. Doch, selbstironisch,
gibt ihr Spontan-Erotik was.
Ganz plötzlich liegt sie auf dem Rücken
und streckt die krummen Beinchen weit,
kein Rüde weit und breit bereit -
sie findet dennoch ihr Entzücken.
Schaut mich mit feuchten Augen an -
ich streichle zärtlich ihr den Bauch
und ihre Vorderpfötchen auch,
so gut ich´s eben kann.
Die linke Pfote fordert fun,
stupst nimmermüde, nimmersatt
mich dort, wo sie es gerne hat,
mit zartem Nachdruck an.
Mein Liebesspiel kann nicht genügen:
Hab´ ich genug, will sie noch mehr
und wälzt sich wohlig hin und her -
sie ist nicht zu befrieden.
Vogelfrei
Ich möchte wie ein Vogel sein,
so frei und unbehaust,
ich würd´ mich meiner Freiheit freu´n
und wäre flink und fröhlich klein
wie eine Kinderfaust.
Im Frühling würd´ ich jubilieren
für eine Vogellady,
die Paarbeziehung ausprobieren,
sie später ganz gewiß verlieren,
und wohl nicht weinen - maybe.
Ich trüge Schwarz wie eine Kappe
und auf der gelben Brust.
Als Dieb und Bettler - hungrig - schnappe
ich eine Mahlzeit, eine knappe,
und fürchte den Verlust.
Es wär´ ein Leben auf der Flucht,
Gefahr von allen Seiten,
hätt´ immer zu nach Schutz gesucht,
ein Futterhaus als Glück verbucht,
das Menschen mir bereiten.
Ein Vogel brauch´ ich nicht zu sein –
bin längst schon vogelfrei!
Die Freiheit ist nur schöner Schein,
ich bin mit meinem Leid allein
und allen einerlei.
Die Möwe
Wir sahen einer Möwe zu
am hohen Ufer überm Strand.
Der Sturmwind ließ sie nicht in Ruh,
kam von den Bergen weit im Land.
Es schien wie Reiten auf dem Wind,
sich heben, tragen, fallen lassen,
sich dabei fühlen wie ein Kind,
das Vaters Arme sicher fassen.
Sie kreiste, stürzte, übermütig,
ganz zwecklos, ohne Sinn und Ziel,
nicht beute- oder paarungswütig.
Es sah für uns aus wie ein Spiel.
Wir haben lange hingeschaut
und diesen Vogel still beneidet,
nur in Gedanken uns getraut
und ihn auf seinem Flug begleitet.
Am nächsten Tage standen wir
auf einem Schotterweg am Strand,
und vor uns lag ein totes Tier.
Ich nahm es in die Hand.
Sie war so federleicht und schön,
der Leib in weichem Flaum.
Nie hab´ ich sie so nah geseh´n . –
Ich warf sie in den Schaum.
Mückenstich
Ich dachte lange drüber nach
an jenem Sommertag,
woran der Mücke, die mich stach,
besonders lag.
War´s mein Parfüm,
das sie betörte?
War´s opportün,
dass nichts sie störte?
Lag es am Duft von meinem Blut,
auf das sie so erpicht war?
Ich glaube ja, ich tat ihr gut.
Das wurde ihr beim Stich klar.
Sie setzte sich ganz sanft und zart
auf meinen rechten Rücken
und war sofort in mich vernarrt,
fand an mir ihr Entzücken.
Fuhr ihren spitzen Stachel aus
und piekste ihn hinein,
sog warmes Blut aus mir heraus
und spritzte Liebe rein.
Die Stelle war klug ausgewählt:
Damit ich an sie denke,
kann ich nicht kratzen, was mich quält,
wie sehr ich mich verrenke.
Hundeleben
Schleiche ich mich früh halb sieben,
wie von Pflichtgefühl getrieben,
frühstückshungrig in die Küche,
dann sind da schon die Gerüche,
- ohne eines Menschen Zutun -
die nur Hundenasen gut tun.
Mein Rumoren mit Geschirr
stört das greise Terriertier,
hebt den Kopf aus ihrem Nest,
wenig später folgt der Rest,
kriecht hervor von unterm Tische,
dass sie sich ins Leben mische.
Dehnt und streckt sich frühgymnastisch,
zuckt und zittert quasi spastisch,
schüttelt ihre grauen Locken,
blinzelt dennoch unerschrocken,
stellt sich mitten in den Raum,
unverrückbar wie ein Baum.
Während ich Bananen schneide,
Äpfel und Kiwis zerteile,
gähnt und guckt sie und wird munter,
fällt davon ein Stückchen runter,
das sie mit langen Zähnen fasst,
wenn´s zu ihrem Frühstück passt.
Morgens kriegt sie`s vegetarisch,
frisst Bananen exemplarisch,
und bei Wetter ohne Regen
lässt sie sich dazu bewegen,
auf dem Rasen an den Büschen
Gänseblümchen zu bepüschen.
Weshalb sie nach dem Geschäft
lange furchtbar fröhlich kläfft,
Schwänzchen wedelnd mich umschmeichelt,
der ihr dann das Bäuchlein streichelt,
danach frag ich sie vergebens –
Rätsel eines Hundelebens.
Fink auf der Flucht
Der grüne Fink vom Futterplatz
flog auf mit flinkem Flügelschlag.
Sein Fluchtversuch war für die Katz´,
die auf der Lauer lag.
Das Glas in der Terrassentür,
wohin der Fink sich wandte,
war hart, doch konnte nichts dafür,
dass er den Kopf sich rammte.
Nun lag er hilflos auf dem Rücken.
Ich sah es und vertrieb die Katze.
Mich sorgend über ihn zu bücken,
schien mir nicht recht am Platze.
So habe ich ihn nur bewacht,
den Vogel, der sich nicht bewegte,
hab´ ihn mit meinem Schutz bedacht,
bis sich von selbst sein Leben regte.
Als ich mit meinem Stuhle scharrte,
da stellte er sich auf die Beine,
wo er wie noch betäubt verharrte.
Dann tat er doch das Seine.
Er hob die kleinen Flügel schon.
Das Starten fiel ihm schwer.
Er taumelte und flog davon.
Ich sah ihm – lächelnd - hinterher.
Starker Fremdling
Es war einmal ein Pelikan,
der flog durch Niedersachsen.
Das hatte schon besondren Charme
denn niemand weiß, woher er kam
und wo er aufgewachsen.
Er kam zu uns von irgendwo
und hatte keinen Pass,
vielleicht aus irgendeinem Zoo,
dem er aus gutem Grund entfloh –
Oh ja, das hatte was!
Er war ein sehr soziales Tier
und ohne Vorurteile,
schloss Freundschaft mit den Störchen hier
fraß Fisch im Graureiher-Revier,
nicht nur aus Langeweile.
„Ist, was er frisst, vielleicht zuviel?“
So fragte man im Lande.
„Er hat ja auch kein rechtes Ziel,
stellt keinen Antrag auf Asyl.“
Na, ist das keine Schande?
So flog er völlig frei herum
zur Freude von den Leuten.
Doch manche waren schrecklich dumm,
sie nahmen ihm die Freiheit krumm,
und wollten ihn erbeuten.
Es kamen Wärter aus dem Zoo.
Er sah die Köder gar nicht an,
fraß lieber frische Fische roh
und wurde groß und stark auch so,
doch sie, sie blieben dran.
Doch manche fanden´s ungerecht,
dass sie ihn müd und mürber gafften,
beantragten sein Bleiberecht
und, zeitgerecht und auch nicht schlecht,
gleich zwei Staatsbürgerschaften.
Der Vogel kriegte voll legal,
befristet für die Jagdsaison,
´nen Pass mit freier Wohnortwahl.
Ihm war das alles ganz egal,
flog trotzdem eines Tags davon
Wenn jeder Mensch in seinem Leben
einmal ein solcher Vogel wär´,
wir würden nicht an Altem kleben,
uns über Fremde nicht erheben,
und Fliegen fiele uns nicht schwer.
Ein Fremdling war er und er kam,
zu uns aus freien Stücken,
uns nicht vom Brot die Butter nahm.
Er lehrte uns, es stolz zuwagen
das Fliegen und das Brückenschlagen.
Das sollte uns entzücken.