Natürliches Kap 2

Ich mag Flüsse

 

Ich mag Flüsse, grün und kalt,

schäumend über Steine springend,

Berge und den wilden Wald

sanft und doch voll Kraft durchdringend,

 

Flüsse glucksend, gurgelnd, rauschend

sich durch enge Schluchten zwängend,

dann im Tal ihr Flussbett tauschend,

unaufhaltsam meerwärts drängend.

 

Flüsse mag ich, die frei fließen

von der Quelle bis zur Mündung,

ihr Lebendig-Sein genießen,

jede ungestaute Windung,

 

nicht gehemmt durch harte Felsen,

nicht durch Menschenhand gebändigt.

Ich seh' Flüsse, die sich wälzen,

breit, behäbig und beständig.

 

Menschen bin ich dort begegnet,

Brücken, Städte, an dem Fluss,

der das dürre Land beregnet,

so belebend wie ein Kuss.

 

Müssen Menschen Flüssen weichen,

sie respektvoll ziehen lassen?

Scheitern wir mit unsren Deichen

beim Versuche, sie zu fassen?

 

Kinder jauchzen, jubeln, baden

in dem Fluss, wie ich ihn mag.

Steh an ruhigen Gestaden

heut, bedenke meinen Tag.

 

Sehe mich im Fluss gespiegelt,

Bilder ziehn an mir vorbei,

von der Strömung leicht beflügelt,

und ich lass sie frei.

 

Ein Boot

 

Einsames Boot weit vor dem Strand.

Es schwankt beim kleinsten Wellenschlag.

Darin ein Mensch, uns unbekannt.

Er treibt das Boot mit eigner Hand.

Was ihn wohl treiben mag?

 

Das Meer ist heut ein stiller Ort,

der alte Mann darin geborgen.

Sein Boot ist wie ein kleiner Hort.

Er rudert es vom Lande fort.

Von welchen seiner Sorgen?

 

Vom Wasser durch ein Brett getrennt,

Freund-Feind in seines Lebens Not.

Doch er vertraut dem Element,

von dem er jede Tücke kennt,

bis in den Tod.

 

Ermita

 

Das Kreuz auf eines Berges Höhe,

es zeigt das Ziel von fern,

ob ich nun fahre oder gehe,

wegweisend wie ein Stern.

 

Und weist den steilen Weg nach oben,

der steinig und beschwerlich ist

und der, gewunden und verschroben,

auch heute noch gefährlich ist.

 

Bin ich dort oben angelangt,

auf freiem Platz vor der Kapelle,

blick´ ich erschrocken übers Land,

auf das bewältigte Gefälle.

 

Und mir wird mit den Augen klar,

wenn sie sich vor Erstaunen weiten,

dass dieser Ort besonders war

schon vor ganz langen Zeiten,

 

als er so manchem klugen Alten

als Rückzug diente von der Welt,

sah ihre Schönheit sich entfalten

und das nicht, was sie auch enthält.

 

Von hier aus ließ sich Schöpfung preisen

als Ort von großer Harmonie,

den Tönen lauschen, auch den leisen,

und was man hörte, störte nie.

 

Sogar der Menschen Wunderwerke

erscheinen „schön“ aus der Distanz

und künden von des Menschen Stärke,

erhalten aus der Ferne Glanz.

  

Heut ist die Ermita hier oben

sonntags Familien-Ausflugsziel,

statt fürs Betrachten und fürs Loben,

für pralles Leben, Spaß und Spiel.

 

Und während die Paella gart

und Kinder um den Grillplatz toben,

wünsch´ ich, dass man auch Stille wahrt

für einen tiefen Blick von  oben

 

auf dieses Land, auf diese Welt

und auf mein eignes Leben

- was alles dies zusammenhält –

und auch auf das daneben.

Sonnenuntergang

 

Ich denke nicht an „Blut“ noch „Feuer“,

seh´ ich die Sonne untergeh´n.

Der Vorgang ist kein ungeheurer:

Es ist wie Blühen und Vergeh´n.

 

Der riesig-rote Weltraumbrocken

– wenn über ihn die Wolken zieh´n –

lässt weiche, weiße Watteflocken

wie Mohn- und Malvenblüten blüh´n.

 

Doch schon nach wenigen Minuten

wird grau das Himmelsdachgebälk,

und, sei´s zum Bösen oder Guten,

wird diese Blumenwiese welk.

 

Doch, seltsam, manchmal blüht sie wieder

ganz kurz und Abschied nehmend auf.

Die Sonne sinkt ins Jenseits nieder.

Die Nacht zieht auf.

 

Fels in der Brandung

 

Der Felsen draußen vor dem Strand,

von hohen Wellen überrollt,

hält tapfer ihrem Ansturm stand

und bricht sie – ungewollt.

 

Er überragt um zwei drei Meter

die glatte See: Ein großer Stein.

Seit vielen Jahren – einsam – steht er

vorm Land wie auf nur einem Bein.

 

Das andre haben Wind und Wellen

ihm schon vor Jahren amputiert.

Ich möchte ihm was drunter stellen,

dass er nicht die Balance verliert,

 

und hab´ den Felsen in der See

mit Sympathie betrachtet.

Was ihm geschah, es tut mir weh,

hab´ ihn mit Mitgefühl befrachtet.

 

Die Felseninsel vor dem Strand –

hier tobt die Brandung, schäumen Wellen.

Sie hält - verletzlich – ihnen stand.

Lässt sie sich jemals fällen?

 

Sturm

 

Ich habe einen Sturm erlebt

mit Wellen hoch und Gischtfontänen,

wie wenn weit weg die Erde bebt,

ein Riese sich vom Schlaf erhebt

mit einem großen Gähnen.

 

Er bläht sich auf, er duckt sich klein,

zeigt seinen Schlund mit seinen Zähnen.

Mit Wut und Gier beißt er hinein

ins Land. Kann ich dort sicher sein

und mich an Bäume lehnen?

 

Den ich beim Sturm im Meere seh’,

er ist wie ein verstörtes Tier.

Seh’ ich denn, wenn ich in mich geh’,

in meines Lebens Ach und Weh,

sein Wesen auch in mir?

 

Wind und Seele

 

Mach‘ keinen Wind, du Seele mein,

und Wolken, schaukelt mich nicht schlapp,

und Wellen, lasst das Rauschen sein,

und Sterne funkelt nicht hinein

in die Gedanken, die ich hab‘.

 

Ich mag es nicht, wenn Dinge flüstern,

und bin nicht scharf auf was Geheimes,

und auf geheimnisvolles Glitzern

bin ich nun mal durchaus nicht lüstern,

stattdessen hab ich lieber keines.

 

Doch manchmal liebe ich zu träumen.

Ich lasse meine Seele treiben

in den noch unerforschten Räumen

und will kein Risiko versäumen,

Gefahren  trotzen statt vermeiden.

 

Und hör im Rauschen ein Versprechen,

und seh im Glitzern die Verzierung,

sie lockt mich, in die See zu stechen,

um all die Zwänge zu zerbrechen,

doch widersteh ich der Verführung..

Bunt wie der Herbst

 

Ich wünsche mir den Herbst des Lebens

so feurig bunt, wie es der Wald ist,

die Blätter leuchten nicht vergebens,

wenn’s im Oktober noch nicht kalt ist

 

und ich im Park die Bank besetze,

die Ruhe in mir selber finde

und mich am Farbenrausch ergötze,

von Angst und Ärger mich entbinde.

 

Ich möchte meinen Traum bewahren,

dass Menschen sich doch sehr bemühen,

die Wahrheit über sich zu sagen,

und hilfsbereit sind und auch kühn,

 

die Farben ihrer Seele zeigen,

den Glanz, der ihnen innewohnt,

und sich vor Jenem auch verneigen,

der dunkle Winkel nicht verschont.

 

Wenn Äste kahl und kalt sich recken

zum Himmel und im Sturm sich beugen

und Schnee und Eis den Boden decken –

was wird von meinem Leben zeugen?

 

Bin ich ein Blatt verweht im Wind?

Erinnerung, die weiterlebt?

So flüchtig, wie die Blätter sind?

Ein Fädchen, und dann eingewebt?

 

In einen Teppich  ohnegleichen?

Wird mir dies Schicksal reichen?

Sonnenblumen

 

Die Sonnenblume dreht sich nicht

nur so und ohne Sinn ins Licht,

lässt sich vom Sonnenschein ergreifen,

damit die Samen reifen.

 

Du siehst die großen Blüten steh´n

des Morgens ostwärts und sie dreh´n

im Lauf des Tags nach Westen hin

für vollen Lichtgewinn.

 

Ich sah ein Sonnenblumenpaar,

wo das so seltsam anders war:

Die eine folgt dem Sonnenstand,

die andere ist abgewandt.

 

Ich hätte gar zu gern gewusst:

Was in der Sonnenblumenbrust

lässt sie, statt sich ins Licht zu dreh´n,

die Schattenseite seh´n?

 

Regenbogen

 

Der Regenbogen, den ich sah,

er spannte sich vom Berg zum Meer,

war für ein paar Minuten da

und für Sekunden farbenklar,

dann zogen Wolken quer.

 

Ein Farbenband so leuchtend rein

und wie gemalt von Kinderhand

war vor den Bergen aus dem Land

himmelwärts entsendet,

bog steil in dunkle Wolken ein

und wieder nieder von der Höh,

es tauchte in die grüne See

am Horizont, wo alles endet.

 

Mit offnen Augen, offnem Mund,

sah ich´s entstehen und verblassen,

dies himmelshohe halbe Rund,

das Zeichen für den neuen Bund,

und in mein Leben fassen.

 

Steilküste

 

Den Weg hoch überm Kieselstrand –

ich bin ihn oft gegangen.

Ging ihn so gern ganz hart am Rand,

vorm Abgrund eine Handbreit Land,

mit grausigem Verlangen,

 

als würde ich so hoch da droben,

dem Absturz zentimeternah,

der Götter Neid und Gunst erproben,

um sie zu schelten oder loben,

des Risikos gewahr.

 

Der Weg hoch oben überm Strand

zeigt seine Tücke nicht:

Die Küste wird vom Meer berannt,

es unterhöhlt ganz tief das Land,

bis es herunterbricht.

 

Den Weg hoch überm Kieselstrand –

ich bin ihn heut gegangen.

Mein Lieblingsplatz ganz hart am Rand,

auf dem ich so oft staunend stand,

war gestern abgegangen.

 

Da liegt das Stück vom Fels im Meer,

die Wellen stürzen drüber hin.

Ich geh´ so hart am Rand nicht mehr.

Mir ist das Wagnis viel zu schwer

und völlig ohne Sinn.

 

Wiederentdeckt

 

An einem Kornfeldrand

sah ich ein Wildkraut stehn.

Ich habe es sogleich erkannt:

Die Pflanze, die ich wiederfand,

hatt' ich zuletzt als Kind gesehn.

 

War zwischen gelben Halmen sichtbar,

ein zarter Stängel, wenig Laub,

vor allem dort, wo etwas Licht war,

doch war am Feldrand leicht vernichtbar.

Ich hab sie für verlor'n geglaubt.

 

Sie hatte eine blaue Blüte.

Man sang ihr Sommerlieder.

Ich hoffe, dass man sie behüte

- kornblumen-blaue kleine Blüte -

und mäht sie nicht gleich nieder.

 

Zeit zu pflanzen...

 

Du hast ein weites Loch gemacht

im grauen Heidesand

und hast es dann mit bloßer Hand

mit guter Erde angefüllt,

in diesem weichen Nest ganz sacht

die Wurzeln eingehüllt

und ihren Durst gestillt.

 

Dann hast du jeden jungen Trieb

mit deiner Hand  betreut,

hast Erde ringsum eingestreut,

das Pflänzchen sanft zurechtgerückt

und in dem Gießrand, der da blieb,

es zaghaft angedrückt,

damit kein Stängel knickt.

 

Ich wage nicht, an Frühlingstagen

die Augen abzuwenden

von deinen so bemühten Händen.

Noch ist dies Leben schwach und klein,

doch wird es wachsen und gedeih’n,

wird eines Tags voll Blüten sein

und später Früchte tragen.