Natürliches Kap 1

Schau

 

Bei den Weisen schau Erleuchten,

bei den Starken schau die Macht,

schau die Tränen der Gebeugten

in der Einsamkeit der Nacht.

 

Lausch der Lerchen Lustgesängen,

schau der Felder Körnersegen,

lange Schatten an den Hängen,

schau die Wolken und den Regen.

 

Lausch dem Donner, dich erweckend,

Blitze blendend, wild, dich schreckend.

 

Dann am Himmel, frisch bezogen,

heb den Blick zum Regenbogen.

Schau die Wellen, die vom Meer

roll´n an Land so frei daher.

 

Schaue grenzenlos und weit

Schöpfungswunder allezeit. 

 

Die Welle

  

Die Welle hab ich rollen sehn,

dem Strande zu, sich überschlagend.

Hätt´ gern sie beim Entsteh´n geseh´n!

Sie war weit draußen zu erspäh´n,

die glatte See kaum überragend.

 

Sie war nur Wasser, schmutzig grün,

mit weißem Schaum, doch furchterregend.

Sich ihr zu stellen wäre kühn.

Sie schob die Kiesel ohne Müh´n

den Strand hinauf, sie neu verlegend

 

und rasselnd aneinander reibend,

doch beim Zerfließen und Erschlaffen

die Hindernisse weich vermeidend.

Was wird von dieser Welle bleiben?

Und was wird aus ihr neu geschaffen?

 

 Das Meer

 

Das Meer ist wie ein junges Weib.

Es schmiegt sich an mich weich und warm,

ist Sehnsucht silbern, blau und weit

und nimmt mich voller Zärtlichkeit

in ihren Arm.

 

Das Meer ist wie ein reifes Weib.

Es greift mit grüner Hand nach mir,

der dunklen Trauer Zeitvertreib,

wälzt schwer und träge ihren Leib

mit Lust und Gier.

 

Das Meer ist wie ein altes Weib.

Es zankt und zetert, tobt und tanzt

mit wilder Freude, Wut und Neid.

Ihr wallend- weites, graues Kleid

ist ausgefranst.

 

Das Meer ist wie ein greises Weib.

Es wartet, winkt, zieht mich hinein,

bereit schon für die Ewigkeit.

Ihr langes Haar ist weiß beschneit

und hüllt mich ein.

  i

Es wartet, winkt, zieht mich hinein,

bereit schon für die Ewigkeit.

Ihr langes Haar ist weiß beschneit

und hüllt mich ein.

 

Mein Garten I

 

Jener Garten, den ich liebte,

sah vollkommen aus zuweilen.

Aus dem Wässern, Düngen, Schneiden

wurde Schönheit, ungetrübte.

 

Dachte mir, so soll es bleiben.

Ja, ich wünschte mir inständig,

diesen Anblick festzuschreiben.

Doch mein Garten, so lebendig,

muss Veränderung erleiden,

wächst und wandelt sich unbändig.

 

Wie ein Garten ist mein Leben:

Augenblicke der Vollendung –

Doch Bewahrung wird es geben

nur in der Erinnerung.

 

Ich bin Leben, das sich wandelt.

Nehme diesen Wandel an.

Wird mein Weg auch neu verhandelt,

sag ich Ja und suche dann

neue Freude nicht vergebens

in dem Garten meines Lebens.

  

Wie ein Vogel oder Fisch

 

Durch die Ozeane gleiten

und das Grün des Meeres fühlen.

Ja, das Grün des Meeres fühlen

und das Blau der Himmelsweiten.

 

Segeln möchte ich dort oben,

in den hohen Himmel fliegen.

Ja, versuchen, dort zu fliegen

mit den Beinen auf dem Boden.

 

Fliegen, schwimmen, kreuz und quer,

wie ein Vogel oder Fisch sein.

Ja, ein Vogel oder Fisch sein

wie auf Wolken, wie im Meer.

  

Sonnenaufgang

 

Nicht immer ist der Tag bereit

für dieses Schauspiel ohnegleichen.

Des Taggestirns Verlässlichkeit

wirkt manchmal hinterm Wolkenkleid,

muss für die ganze Erde reichen.

 

Doch heute Sterne überm Meer,

der Mond nur noch ein blasser Rest.

Blauschwarze Wolken segeln quer.

Am Horizont die Wiederkehr

von Licht, die sich erahnen lässt.

 

Die Wolkenfetzen werden Glut.

Sie lodern rötlich-gelblich auf.

Des Himmels Rosenblätterflut

schwelgt morgenfroh im Übermut

und wartet auf der Sonne Lauf.

 

Den fernen Horizont durchbricht

des Feuerballes Strahlenrand.

Ich seh´, unirdisch, dort ein Licht

und von ihm Form und Größe nicht:

Ein Weltraumwesen unbekannt.

 

Es greift nach mir mit goldnen Armen

weit übers Meer auf goldner Spur.

Und Menschen gingen, Menschen kamen

seit Urbeginn und trugen Namen.

Wie sie bin ich nur - Kreatur.

 

Und bleibe staunend steh´n und deute

den Glanz der Sonne und das Meer.

Schau´ in die grenzenlose Weite:

Ich fürchte mich und fühle Freude

und sehne mich so sehr.

 

Im Feuerkorb

 

Ich saß einmal in lauer Nacht

mit Freunden um den Feuerkorb.

Gedanken wurden da entfacht.

Ich hab´ sie heute nach-gedacht.

 

Einst rauschte er im Wind, der Baum.

Sein Holz sprüht Funken in dem Korb.

Er wuchs empor und nahm sich Raum.

Ein Wunder – schön es anzuschaun.

 

Sein Schatten – hab darin geruht.

Nun schau ich in den Feuerkorb.

Ein Stück der Schöpfung in der Glut!

„...der dritte Tag ...und... es war gut.“

 

Zu Scheiten, kurz und klein, zerlegt,

zerhackt, und brennt im Feuerkorb.

Mich hat die Frage sehr bewegt,

ob Geist sich auch in Pflanzen regt.

 

Was ist des Baumes Lebenssinn?

Nur Asche, weiß, im Feuerkorb?

War, was uns wärmte, der Gewinn?

Und wo geht seine Seele hin?

 

Des Schöpfers Hauch – wird er ent-leibt

und von dem harten Holz getrennt,

damit er lebt und ewig bleibt,

in keinem Feuerkorb verbrennt?

Mein Garten II

 

Vor meinem Hause grünt mein Garten;

den habe ich so manches Jahr

gehegt mit Hacke und mit Spaten,

weil er mir lieb und teuer war.

 

Ich hab ihn mehrfach umgestaltet;

er wuchs nicht so, wie ich es wollte.

Ich hab‘ Geduld an ihm entfaltet,

weil ich ihm Achtung zollte.

 

Mein Garten hat sein eig’nes Leben,

gehorcht nicht meinem Willen.

Will ich mein Muster in ihn weben,

lebt er sich aus im Stillen.

 

 

Schwimmen

 

Der erste Schwimmzug hat es in sich:

Du stehst im Wasser bis zum Bauch

und streckst die Arme und dann dich

und deine Kniegelenke auch.

 

Die Muskelkraft, die dich bewegt,

sie stößt dich ab. Du lässt dich fallen

ins tiefe Wasser, das dich trägt,

gibst auf, dich an was festzukrallen.

 

Und spürst nun, dass dein Körper leicht ist

und dass die Ängstlichkeit verschwindet,

und weißt doch, dass der See nicht seicht ist

und an das Ufer dich nichts bindet.

 

Dem Element, vor dem dir graut,

wenn es dich zu verschlingen droht,

hast du dich lustvoll anvertraut,

sei es auf Leben oder Tod.

 

Du hast nur dich und deine Glieder

und deines Körpers Muskelkraft.

Sie hebt und senkt dich auf und nieder,

bis sie dann eines Tags erschlafft.

   

Gewittersturm am Meer

 

Den Himmel, schwarz-blau, wolkenschwer,

zerreißt ein Blitz mit grellem Licht,

entzündet Feuer überm Meer,

zuckt und verzweigt sich kreuz und quer,

zielt nicht auf mich.

 

Ich schau´ das Götterzürnen an

vom hohen Felsen überm Strand

und weiß wohl, dass es irgendwann

mich unversehens treffen kann,

auf sichrem Land,

 

dass die Gewalt, die sich entfaltet

mal hier mal dort, so ungezähmt

mit Wucht und Wut, niemals erkaltet,

seit Urbeginn mit Willkür waltet,

und doch des Menschen Mut nicht lähmt.

 

Kornblumen

 

An einem Kornfeldrand

sah roten Mohn ich steh´n.

Die Pflanze ist mir wohl bekannt,

doch jene, die ich auch dort fand,

die hatt´ ich mal als Kind geseh´n.

 

War zwischen gelben Halmen sichtbar,

ein zarter Stängel, wenig Laub,

vor allem dort, wo etwas Licht war,

doch war am Feldrand leicht vernichtbar.

Ich hab´ sie für verlorn geglaubt.

 

Sie hatte eine blaue Blüte.

Man sang ihr Sommerlieder.

Ich hoffe, dass man sie behüte

- kornblumen-blaue kleine Blüte -

und mäht sie nicht gleich nieder.

 

Stiefmütterchen

 

Ich war in meinem Garten fleißig,

bin überall herumgetanzt

und hab´ von jeder Farbe dreißig

Stiefmütterchen gepflanzt.

 

Dann habe ich mich aufgerichtet,

die Blütenpracht mir anzuseh´n:

Gesichter habe ich gesichtet,

so gelb, braun, blau und wunderschön.

 

Ich sah sie tags darauf erwachen.

Der Morgentau kam zum Befeuchten

und putzte frisch ihr Blumenlachen,

die Mittagssonne ließ sie leuchten.

 

Am Abend senkten sich die Blüten,

doch zogen sie sich nicht zurück.

Es war, als ob sie sich bemühten

um Dauerhaftigkeit von Glück.