Ich mag Flüsse
Ich mag Flüsse, grün und kalt,
schäumend über Steine springend,
Berge und den wilden Wald
sanft und doch voll Kraft durchdringend,
Flüsse glucksend, gurgelnd, rauschend
sich durch enge Schluchten zwängend,
dann im Tal ihr Flussbett tauschend,
unaufhaltsam meerwärts drängend.
Flüsse mag ich, die frei fließen
von der Quelle bis zur Mündung,
ihr Lebendig-Sein genießen,
jede ungestaute Windung,
nicht gehemmt durch harte Felsen,
nicht durch Menschenhand gebändigt.
Ich seh' Flüsse, die sich wälzen,
breit, behäbig und beständig.
Menschen bin ich dort begegnet,
Brücken, Städte, an dem Fluss,
der das dürre Land beregnet,
so belebend wie ein Kuss.
Müssen Menschen Flüssen weichen,
sie respektvoll ziehen lassen?
Scheitern wir mit unsren Deichen
beim Versuche, sie zu fassen?
Kinder jauchzen, jubeln, baden
in dem Fluss, wie ich ihn mag.
Steh an ruhigen Gestaden
heut, bedenke meinen Tag.
Sehe mich im Fluss gespiegelt,
Bilder ziehn an mir vorbei,
von der Strömung leicht beflügelt,
und ich lass sie frei.
Ein Boot
Einsames Boot weit vor dem Strand.
Es schwankt beim kleinsten Wellenschlag.
Darin ein Mensch, uns unbekannt.
Er treibt das Boot mit eigner Hand.
Was ihn wohl treiben mag?
Das Meer ist heut ein stiller Ort,
der alte Mann darin geborgen.
Sein Boot ist wie ein kleiner Hort.
Er rudert es vom Lande fort.
Von welchen seiner Sorgen?
Vom Wasser durch ein Brett getrennt,
Freund-Feind in seines Lebens Not.
Doch er vertraut dem Element,
von dem er jede Tücke kennt,
bis in den Tod.
Ermita
Das Kreuz auf eines Berges Höhe,
es zeigt das Ziel von fern,
ob ich nun fahre oder gehe,
wegweisend wie ein Stern.
Und weist den steilen Weg nach oben,
der steinig und beschwerlich ist
und der, gewunden und verschroben,
auch heute noch gefährlich ist.
Bin ich dort oben angelangt,
auf freiem Platz vor der Kapelle,
blick´ ich erschrocken übers Land,
auf das bewältigte Gefälle.
Und mir wird mit den Augen klar,
wenn sie sich vor Erstaunen weiten,
dass dieser Ort besonders war
schon vor ganz langen Zeiten,
als er so manchem klugen Alten
als Rückzug diente von der Welt,
sah ihre Schönheit sich entfalten
und das nicht, was sie auch enthält.
Von hier aus ließ sich Schöpfung preisen
als Ort von großer Harmonie,
den Tönen lauschen, auch den leisen,
und was man hörte, störte nie.
Sogar der Menschen Wunderwerke
erscheinen „schön“ aus der Distanz
und künden von des Menschen Stärke,
erhalten aus der Ferne Glanz.
Heut ist die Ermita hier oben
sonntags Familien-Ausflugsziel,
statt fürs Betrachten und fürs Loben,
für pralles Leben, Spaß und Spiel.
Und während die Paella gart
und Kinder um den Grillplatz toben,
wünsch´ ich, dass man auch Stille wahrt
für einen tiefen Blick von oben
auf dieses Land, auf diese Welt
und auf mein eignes Leben
- was alles dies zusammenhält –
und auch auf das daneben.
Sonnenuntergang
Ich denke nicht an „Blut“ noch „Feuer“,
seh´ ich die Sonne untergeh´n.
Der Vorgang ist kein ungeheurer:
Es ist wie Blühen und Vergeh´n.
Der riesig-rote Weltraumbrocken
– wenn über ihn die Wolken zieh´n –
lässt weiche, weiße Watteflocken
wie Mohn- und Malvenblüten blüh´n.
Doch schon nach wenigen Minuten
wird grau das Himmelsdachgebälk,
und, sei´s zum Bösen oder Guten,
wird diese Blumenwiese welk.
Doch, seltsam, manchmal blüht sie wieder
ganz kurz und Abschied nehmend auf.
Die Sonne sinkt ins Jenseits nieder.
Die Nacht zieht auf.
Fels in der Brandung
Der Felsen draußen vor dem Strand,
von hohen Wellen überrollt,
hält tapfer ihrem Ansturm stand
und bricht sie – ungewollt.
Er überragt um zwei drei Meter
die glatte See: Ein großer Stein.
Seit vielen Jahren – einsam – steht er
vorm Land wie auf nur einem Bein.
Das andre haben Wind und Wellen
ihm schon vor Jahren amputiert.
Ich möchte ihm was drunter stellen,
dass er nicht die Balance verliert,
und hab´ den Felsen in der See
mit Sympathie betrachtet.
Was ihm geschah, es tut mir weh,
hab´ ihn mit Mitgefühl befrachtet.
Die Felseninsel vor dem Strand –
hier tobt die Brandung, schäumen Wellen.
Sie hält - verletzlich – ihnen stand.
Lässt sie sich jemals fällen?
Sturm
Ich habe einen Sturm erlebt
mit Wellen hoch und Gischtfontänen,
wie wenn weit weg die Erde bebt,
ein Riese sich vom Schlaf erhebt
mit einem großen Gähnen.
Er bläht sich auf, er duckt sich klein,
zeigt seinen Schlund mit seinen Zähnen.
Mit Wut und Gier beißt er hinein
ins Land. Kann ich dort sicher sein
und mich an Bäume lehnen?
Den ich beim Sturm im Meere seh’,
er ist wie ein verstörtes Tier.
Seh’ ich denn, wenn ich in mich geh’,
in meines Lebens Ach und Weh,
sein Wesen auch in mir?
Wind und Seele
Mach‘ keinen Wind, du Seele mein,
und Wolken, schaukelt mich nicht schlapp,
und Wellen, lasst das Rauschen sein,
und Sterne funkelt nicht hinein
in die Gedanken, die ich hab‘.
Ich mag es nicht, wenn Dinge flüstern,
und bin nicht scharf auf was Geheimes,
und auf geheimnisvolles Glitzern
bin ich nun mal durchaus nicht lüstern,
stattdessen hab ich lieber keines.
Doch manchmal liebe ich zu träumen.
Ich lasse meine Seele treiben
in den noch unerforschten Räumen
und will kein Risiko versäumen,
Gefahren trotzen statt vermeiden.
Und hör im Rauschen ein Versprechen,
und seh im Glitzern die Verzierung,
sie lockt mich, in die See zu stechen,
um all die Zwänge zu zerbrechen,
doch widersteh ich der Verführung..
Bunt wie der Herbst
Ich wünsche mir den Herbst des Lebens
so feurig bunt, wie es der Wald ist,
die Blätter leuchten nicht vergebens,
wenn’s im Oktober noch nicht kalt ist
und ich im Park die Bank besetze,
die Ruhe in mir selber finde
und mich am Farbenrausch ergötze,
von Angst und Ärger mich entbinde.
Ich möchte meinen Traum bewahren,
dass Menschen sich doch sehr bemühen,
die Wahrheit über sich zu sagen,
und hilfsbereit sind und auch kühn,
die Farben ihrer Seele zeigen,
den Glanz, der ihnen innewohnt,
und sich vor Jenem auch verneigen,
der dunkle Winkel nicht verschont.
Wenn Äste kahl und kalt sich recken
zum Himmel und im Sturm sich beugen
und Schnee und Eis den Boden decken –
was wird von meinem Leben zeugen?
Bin ich ein Blatt verweht im Wind?
Erinnerung, die weiterlebt?
So flüchtig, wie die Blätter sind?
Ein Fädchen, und dann eingewebt?
In einen Teppich ohnegleichen?
Wird mir dies Schicksal reichen?
Sonnenblumen
Die Sonnenblume dreht sich nicht
nur so und ohne Sinn ins Licht,
lässt sich vom Sonnenschein ergreifen,
damit die Samen reifen.
Du siehst die großen Blüten steh´n
des Morgens ostwärts und sie dreh´n
im Lauf des Tags nach Westen hin
für vollen Lichtgewinn.
Ich sah ein Sonnenblumenpaar,
wo das so seltsam anders war:
Die eine folgt dem Sonnenstand,
die andere ist abgewandt.
Ich hätte gar zu gern gewusst:
Was in der Sonnenblumenbrust
lässt sie, statt sich ins Licht zu dreh´n,
die Schattenseite seh´n?
Regenbogen
Der Regenbogen, den ich sah,
er spannte sich vom Berg zum Meer,
war für ein paar Minuten da
und für Sekunden farbenklar,
dann zogen Wolken quer.
Ein Farbenband so leuchtend rein
und wie gemalt von Kinderhand
war vor den Bergen aus dem Land
himmelwärts entsendet,
bog steil in dunkle Wolken ein
und wieder nieder von der Höh,
es tauchte in die grüne See
am Horizont, wo alles endet.
Mit offnen Augen, offnem Mund,
sah ich´s entstehen und verblassen,
dies himmelshohe halbe Rund,
das Zeichen für den neuen Bund,
und in mein Leben fassen.
Steilküste
Den Weg hoch überm Kieselstrand –
ich bin ihn oft gegangen.
Ging ihn so gern ganz hart am Rand,
vorm Abgrund eine Handbreit Land,
mit grausigem Verlangen,
als würde ich so hoch da droben,
dem Absturz zentimeternah,
der Götter Neid und Gunst erproben,
um sie zu schelten oder loben,
des Risikos gewahr.
Der Weg hoch oben überm Strand
zeigt seine Tücke nicht:
Die Küste wird vom Meer berannt,
es unterhöhlt ganz tief das Land,
bis es herunterbricht.
Den Weg hoch überm Kieselstrand –
ich bin ihn heut gegangen.
Mein Lieblingsplatz ganz hart am Rand,
auf dem ich so oft staunend stand,
war gestern abgegangen.
Da liegt das Stück vom Fels im Meer,
die Wellen stürzen drüber hin.
Ich geh´ so hart am Rand nicht mehr.
Mir ist das Wagnis viel zu schwer
und völlig ohne Sinn.
Wiederentdeckt
An einem Kornfeldrand
sah ich ein Wildkraut stehn.
Ich habe es sogleich erkannt:
Die Pflanze, die ich wiederfand,
hatt' ich zuletzt als Kind gesehn.
War zwischen gelben Halmen sichtbar,
ein zarter Stängel, wenig Laub,
vor allem dort, wo etwas Licht war,
doch war am Feldrand leicht vernichtbar.
Ich hab sie für verlor'n geglaubt.
Sie hatte eine blaue Blüte.
Man sang ihr Sommerlieder.
Ich hoffe, dass man sie behüte
- kornblumen-blaue kleine Blüte -
und mäht sie nicht gleich nieder.
Zeit zu pflanzen...
Du hast ein weites Loch gemacht
im grauen Heidesand
und hast es dann mit bloßer Hand
mit guter Erde angefüllt,
in diesem weichen Nest ganz sacht
die Wurzeln eingehüllt
und ihren Durst gestillt.
Dann hast du jeden jungen Trieb
mit deiner Hand betreut,
hast Erde ringsum eingestreut,
das Pflänzchen sanft zurechtgerückt
und in dem Gießrand, der da blieb,
es zaghaft angedrückt,
damit kein Stängel knickt.
Ich wage nicht, an Frühlingstagen
die Augen abzuwenden
von deinen so bemühten Händen.
Noch ist dies Leben schwach und klein,
doch wird es wachsen und gedeih’n,
wird eines Tags voll Blüten sein
und später Früchte tragen.