Menschliches  Kap 2

Nehmt mich hin...

 

Natürlich braucht es niemand wissen,

niemand würde was vermissen,

wenn ich fein für mich behalte,

wie ich mich zusammenfalte,

damit ihr es ja nicht seht,

wie es um mich steht.

 

Selbstverständlich kann ich schweigen,

brauch´ es niemandem zu zeigen,

dass ich ein Geheimnis trage,

es sehr mühsam wahre,

es in mir verschließe

und genieße.

 

Doch nichts lieber würd´ ich wagen,

als mutig mich zu offenbaren,

in die Welt hinauszuschrei´n:

„Ich bin so und will so sein!

Als den, der ich bin,

nehmt mich hin!“

 


Es ist soweit

 

Es klopfte an der Zimmertür,

und dann stand er im Raum.

Ich fragte ihn: „Was willst du hier,

es ist doch viel zu früh dafür,

bei mir herein zu schau´n.“

 

„Ich bin dein Freund. Man nennt mich Hein.“

„Ich weiß. Doch du musst draußen bleiben.

Du passt in meinen Plan nicht rein.

Ich trag´ dich für den Winter ein.

Ein bisschen Zeit wird wohl noch sein,

um Schulden einzutreiben.

 

Hab´ außerdem den Arzttermin,

mein altes Rheumaleiden,

und muss dann noch zum Zahnarzt hin,

weil ich dort in Behandlung bin,

am Weißheitszahn, an beiden.

 

Besuch ist Sonntag angesagt,

Sohn, Tochter, Enkelkinder.

Wir haben ihn so oft vertagt,

die Süßen haben schon gefragt:

‚Ist Opa jetzt gesünder?’

 

Mein alter Herr erwartet mich,

und auch die sehr verehrte

Mama. Die lass´ ich nie im Stich.

Wenn ich nicht komme, denkt sie sich,

ich sei auf heißer Fährte.“

 

„Er will dich heute und sofort,

da ist gar nichts zu machen.

Terminkalender! Es gilt dort,

wo er wohnt, immer nur sein Wort

und keine Menschen-Sachen.“

  

„Ich habe Schulden zu begleichen.

Wie überzeugt dich das?

Mein Kontostand zeigt Minuszeichen.

Mein Barvermögen wird nicht reichen

für dieses Schuldenfass.“

 

„Mein lieber Freund, es ist zu spät,

dein Herz beginnt zu flimmern.

Wer bei dir in der Kreide steht,

wie dir´s mit deinen Schulden geht –

nichts wird dich morgen kümmern.“

 

Kritisch selbstkritisch

  

Selbstkritik und die sehr offen

darf auf Sympathien hoffen,

weil soviel Bescheidenheit

jedermannes Herz erfreut.

 

Und statt selber auszuteilen,

lässt man sich zu Hilfe eilen,

und dann freut es einen mächtig,

hört man, sie sei unberechtigt.

 

Doch hab´ ich denn so was nötig?

Selbstkritik wär´ für mich tödlich.

Wenn ich tad´le, dann nicht mich;

denn ich bin untadelig!

 

Munter gegen mich zu reimen,

will mir höchst verrückt erscheinen.

So was lass´ ich lieber bleiben.

Unfug mögen andre treiben!

 

Lieber bin ich unbescheiden,

mag mich ausgesprochen leiden,

weise weit von mir zurück,

jedes blöde Stück Kritik.

  

Denn es reicht bei weitem aus,

lasse ich in meinem Haus,

von dem Zweifel angefressen,

meinen Selbstwert neu vermessen.

 

Will mich jemand kritisieren,

werd´ ich gründlich dementieren

und zum Angriff übergeh´n,

keine Schwäche überseh´n.

 

Ich erkläre frank und frei,

was auch immer es denn sei:

„Nichts bekenne ich und büße!

Selbstkritik ist für die Füße!“

 

Wer selbst sich in der Nase bohrt,

ist selbst ein virtuelles Schwein.

Macht Ihr nur weiter und so fort

und pinkelt Euch denn selbst an´s Bein.

 

So komm´ ich immer ganz groß raus

und bin ein ganz famoses Haus.

Ändern kann ich mich noch später,

und sei es auf dem letzten Meter.

 

 Ich wünsche mir die Stille…

 

Ich wünsche mir die Stille,

in Hülle und in Fülle,

Ich mag nicht mehr das Lärmen,

und kann mich nicht erwärmen

am grellem Neonlichtertanz,

doch im Advent der Lichterkranz

und Kerzenlicht im Augenglanz

das alles lässt mich schwärmen.

  

Kann uns’re Welt nicht stille sein,

sich ihres bunten Lebens freun,

statt Grund zu haben, laut zu schrein,

weil Menschen gierig und gemein

und mit brutalem Machtgelüst,

mit Tücke und mit arger List,

es ohne Skrupel wagen,

zu verjagen und erschlagen,

den Friedlichen, wenn der vergisst,

dass andren er im Wege ist.

  

Wann wird mal endlich schweigen,

das Waffenklirren, Waffenzeigen,

das ekelhafte Kriegsgetöse ,

so todessüchtig und so böse?

Wann werden Menschen in sich gehen

um endlich endlich zu verstehn,

dass Gier und Hass und Wut und Neid,

die Wurzeln sind von all dem Leid?

Den Mördern wurde Raum gegeben,

nun trachten sie uns nach dem Leben.

 

Und deshalb müssen Kerzen sein,

ihr kleiner hoffnungsvoller Schein

lässt mich im Dunkeln nicht allein.

Da bleibt mir in der Düsternis

von Todesangst und Kümmernis,

banalen und den großen Ängsten,

mein tapfres Hoffen stets am längsten

auf Wunder, fern und ungewiss.

 

Frische Brise

 

Dein Lebensboot – lass es nicht dümpeln!

Ich wünsch Dir Fahrt und frischen Wind.

Du musst es ab und zu entrümpeln

von Dingen, die behindernd sind.

 

Ich wünsch’ Dir eine frische Brise

und einen sich´ren Hafen

und eine Sommerblumenwiese,

um dort zu schlafen.

Und dass es Dir im Alter nicht

an abendrotem Feuer fehle

und dass im Dunkeln stets ein Licht

erleuchte Deine Seele.

 

Die Alte am Strand

(frei nach DeMello)

 

Hab eine Frau am Strand gesehn,

trug einen Korb, sah seltsam aus,

sah ihre grauen Haare 

im Wind. Und manchmal blieb sie stehn,

zog etwas aus dem Sand heraus,

als wär´ von Wert das Stück.

 

Die Kinder kamen ihr nicht nah,

nach denen sie von ferne blickte.

Das graue Kleid, das graue Haar -

den Kindern schien ganz offenbar,

als ob sich das am Strand nicht schickte,

und schauten nicht zurück.

 

Ich habe mich ihr zugewandt

und in den schweren Korb geschaut.

Und sah die Dinge, die sie fand

am sonnenheißen Badestrand.

Es hat mich fürchterlich gegraut,

schon auf dem ersten Blick.

 

Sah Flaschenhälse und die Scherben,

die Kronenkorken und Fäkalien,

die manche Menschen dreist vererben.

Sie hob es auf, um es zu bergen.

So wurden draus Devotionalien

für unversehrtes Kinderglück.

  

Auf kleinen  Füßen

 

Der kleine Mensch mit seinem  Ranzen –

er trödelt auf dem Weg nachhause,

ich bin vor meinem  Haus beim Pflanzen,

und  mache eine Arbeitspause.

 

„Hallo“, sagt er, hält seine Hand

mir wie zum Handschlag  hin.

Ich  streif von meiner ab den  Sand

Kein Name kommt mir in den Sinn.

 

„Hans-Jürgen, lange nicht gesehn“,

sagt er und lacht mich  dabei an.

Ich  kann‘s  noch  immer  nicht verstehn,

drück  seine Hand und frage dann:

 

„Du kennst  mich  ja!  Wer bist denn du?“

Er sagt mir, Lenard sei sein Name.

Ich  kenn die Mutter, doch  ich tu,

als ob ich  im Gedächtnis  krame.

 

Doch  bitt‘  ich  ihn, die Mum  zu grüßen,

und hab  ihm hinterher geschaut.

Er  läuft auf noch  so  kleinen  Füßen

und ist mir plötzlich sehr vertraut.

 

 

Entlassen

 

Ein Blick noch auf die Bettmaschine,

auf weiße Frau’n im langen Gang,

und im Foyer die Buchvitrine

und ein, zwei Damen am Empfang.

 

Die Tasche schwer in meiner Hand,

Papiere rascheln an der Brust.

Der  Kopf wird nicht mehr umgewandt.

Im Schritt spür ich die Lebenslust.

 

Ein Windstoß trifft mich, feucht und kalt.

Ich trete vor die Eingangstür.

Die Blätter weh‘n vom nahen Wald

und landen in den Pfützen hier.

 

Doch dieser Tag, so grau und trüb,

er lässt mein Herz vor Freude tanzen,

denn was zu leben mir noch blieb

ist Grund zum Tulpenzwiebel-Pflanzen.

 

Um mich aufs nächste Jahr zu freuen

(und dafür lohnt sich mein Bemühen)

an ihrem Wachsen und Gedeihen

und ihrem Blühen.

 

 

NIMM DICH  WICHTIG!

 

„Man muss sich nicht so wichtig nehmen!“

Wie das mir in den Ohren klingt!

Und wenn du´s tust, sollst du dich schämen!

Was mir in die Erinn´rung bringt,

wie sehr die Heuchelei mir stinkt,

die da aus allen Poren dringt,

und will sich noch verbrämen.

 

Nimm dir Zeit für dich,

denn niemand benötigt dich

so dringend wie du.

 

Es ist  nicht wichtig,

für wen du dich  hältst,

es ist  wichtig, wer Du bist

 

Es reicht,

wenn nur eine Person an dich  glaubt

Auch  wenn diese Person

du selbst  bist.

 


Die Teller aus der Glas-Vitrine

 

Ich mochte gerne sie besuchen,

die Tante in der großen Stadt.

Ich freute mich auf ihren Kuchen

und aß mich daran mehr als satt.

 

Sie lebte dort allein und grau

mit Sofa, Schrank und Glasvitrine.

Sie war für mich die alte Frau

und ich für sie die Großcousine.

 

Ich sah, wenn ich am Tische saß,

den sie mit schlichten Tellern deckte,

die bunten Teller hinter Glas,

was meine Kindersehnsucht weckte.

 

„Ach, Tante, darf ich auch einmal

von deinen schönen Tellern essen?“

Die ließ sich selber keine Wahl.

Der Wunsch schien ihr vermessen.

 

„Ach nein“, sprach sie, „die sind bestimmt

für jene ganz besond’ren Tage,

wo man die guten Teller nimmt.“

Und ich verschluckte meine Frage.

 

Nun ist sie tot. „Wenn ich mal sterbe“,

so schrieb sie, „kriegt die Großcousine,

und das ist, was ich ihr vererbe,

die Teller aus der Glasvitrine.“

 

Ob ihr vielleicht doch daran lag,

dass ihre Erbin sie vermisst?

Ich  nehm' die Teller jeden Tag,

hätt' nicht gedacht, dass ich  das wag',

weil jeder Tag besonders ist.

 

Dicke Freunde

 

Ein Junge aus der siebten Klasse

wird heulend ins Büro gebracht,

wo ich empörte Körpermasse

sich setzen und erzählen lasse,

was man mit ihm gemacht.

 

„Er ist auf meinen kranken Rücken

von hinten draufgesprungen.

Ich kann mich doch schon so nicht bücken

und geh´ vielleicht einmal an Krücken.“

Und das hat jämmerlich geklungen.

 

„Ich habe ihm so oft gesagt:

´Lass sein! Hau endlich ab, Mann!´“ –

Ich höre, wie er sich beklagt,

und schließlich hab´ ich ihn gefragt,

ob er den Freund noch ab kann.

 

„Na, ja“, sagt er und meint es so,

„es war nicht bös gemeint!“

Ich bin, noch zweifelnd, doch sehr froh

und ruf´ den Freund in mein Büro,

der bleich ist und fast weint.

 

Mit seinen langen dünnen Armen

umschlingt er seinen dicken Freund.

Es ist ein Bild zum Gott Erbarmen,

wie sie sich – zärtlich fast – umarmen.

Und später habe ich geweint.

 

Ein alter Cowboy...

 

Ein alter Cowboy, matt und müde,

der Gang, als wenn ein Pferd dich trug.

Woanders als in dieser Mühle

da wär´ dein Name Lanky Luke.

 

Als wärst du grad vom Pferd gestiegen,

mit schwerem Schritt in den Saloon,

dort an die Bar und angeschrieben,

und noch ein Bier und schließlich dun.

 

Der Schlapphut ist aus grobem Leder,

der Stumpen aus dem schärfsten Kraut,

kein eitler Mann, und das sieht jeder:

Du bist aus zähem Holz gebaut.

 

Und trägst in dir sehr tief verborgen

den Traum von Feiheit grenzenlos

und hättest ieber keine Sorgen

und wärst gern Amt und Würde los.

 

Und würdest gern mit deinen Söhnen

durch ungezählte Kneipen zieh´n,

anstatt nur monatlich zu löhnen,

und gern auch nach Australien flieh´n.

 

Du bist ganz ohne Arg und Täuschung

und wärst von echtem Schrot und Korn,

jedoch dein Lehramt macht dich keusch und

erstickt dich fast an deinem Zorn.

 

Wachsen lassen..

 

Glatt und grade soll der Baum sein,

rage in den Himmel rein

und sei stark und fest verwürzelt,

dass er niemals jemals stürzelt,

sein Gesamtbild sei symmetrisch

und sein Umfall´n hypothetisch,

er sei sturmerprobt und mächtig

und im Herbst besonders prächtig.

 

Ist das Bäumchen glatt und grade,

ist es auch ein bisschen fade,

ist es linksgeneigt und krumm,

ist es ganz bestimmt nicht dumm.

Dreh´n nach rechts und das forever,

ist doch überhaupt nicht clever

für den, der mit keckem Mut

sich nach links sehnt und es tut.

 

Ist das Bäumchen glatt und grade,

ist das auch ein bisschen schade,

ist es links und stark und krumm,

bringt es keiner so schnell um.

Und die vielen Selbstgerechten,

die nach rechts es drehen möchten,

geben mit geheimer Wut

schließlich auf und dir geht’s gut.

 

Vorbild

 

Wie gut, wenn du ein Vorbild hast

und immer strebend dich bemühst,

wenn es in deine Traumwelt passt

und du nach seinem Bild erblühst.

 

Wie gut, wenn Glanz auf alles fällt,

was du, ihm gleich, zu tun beginnst.

Als wärst du in sein Licht gestellt,

wirst du ganz edel umgemünzt.

 

Doch besser ist´s, ein Bild zu wählen,

das in der Ferne Taten tut.

Du kannst es distanziert verehren.

An es zu denken, tut schon gut.

 

Doch ist dein Vorbild dir erreichbar,

weil es in deiner Nähe wohnt,

und ist es außerdem vergleichbar,

dann bleibst du nur von ihm verschont,

 

wenn du es dir genau betrachtest,

bis es dir seine Mängel zeigt.

Ein Vorbild, das du still verachtest,

hat eben leicht und schnell vergeigt. 

 

Wenn man älter wird...

  

Nichts wird mehr so heiß gegessen,

man fühlt sich in der Welt verirrt,

möchte schwarz und weiß vergessen,

Lärm, nach laut und leis´ gemessen,

wegtun, wenn man älter wird.

 

Jeder Tag lässt seine Spuren

furchengleich in uns zurück,

schneller laufen unsre Uhren,

jeder Schlag, den wir erfuhren,

sitzt uns schwerer im Genick.

 

Gedanken wenden sich nach innen,

werden dort so richtig klar.

Doch mit abgewandten Sinnen

nimmst du Stunden, die verrinnen,

und die bunte Welt nicht wahr.

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Aufgewacht am frühen Morgen:

Wie warm doch ihre Arme sind!

Schon vergisst du deine Sorgen,

fühlst dich sehr bei ihr geborgen,

drückst dich an sie wie ein Kind.

 

 Der Eingriff

 

Durch lange Gänge seh ich wanken

den alten Herrn im Schlafgewand

mitSchläuchen, die sich um ihn ranken,

und weißen Binden an der Hand.

 

Er schleicht so langsam und gebeugt,

als suchte er, was er verloren.

Einst hatte Kinder er gezeugt

und wurde einst intakt geboren.

 

Die jungen Frauen, die er sieht,

wenn sie an ihm vorübereilen,

sie tragen Weiß. Er ist bemüht,

dass seine Blicke nicht verweilen.

  

Er ist nur einer von den vielen.

Sie zahlen alle einen Preis.

Sie werden hier zu Halb-Ruinen,

und Zweifel meldet sich ganz leis‘.

 

Und lässt mich diese Frage stellen:

Wird mal mein Körper so versehrt,

hab ich noch andre Lebensquellen

und sind sie gleichfalls lebenswert?

 

Und spenden unvermindert Freude?

Wie schwer wiegt da noch der Verlust,

entdeckt mein Geist auf gänzlich neue

noch unbekannte Weise „Lust“.

 

Nimm dich hin

 

Nur  du  selbst  kennst  dein  Gewissen,

und  nur du wirst  wirklich  wissen,

ob, woran du dich erfreut hast,

du von Herzen je bereut hast,

und ob es die Wahrheit ist,

die du nie vergisst.

 

Musst   du heimlich  Rache  schnauben?

Kannst nicht an Vergebung glauben?

Willst    all   deine   Übeltaten

Gott,der alles weiß,verraten,

damit  der  sie dir  vergibt

und dich dennoch liebt?

 

Wer  du  wirklich  bist  und  sein  willst,

welche Sehnsucht du allein stillst,

ist  in deiner Brust  verborgen.

Sag dir,ohne dich zu sorgen:

„Als den, der ich bin,

nehme ich mich hin!“

 


Es brummt im Haus

 

Ein Tier brummt in der Stube rum,

so laut, dass es mich stört.

„Ne Fliege! O, die bring ich um!“

Doch macht kein Brummer so‘n Gebrumm,

Ich hab‘ mich wohl verhört.

 

Denn als ich sie von Nahem sah,

beschloss ich, sie zu fangen.

Da hätte ich doch um ein Haar

an einem Tier, das Freundin war,

‘nen Hummelmord begangen.

 

Ich fing sie mit den Händen ein.

Es ging ganz einfach so.

Sie machte sich nun still und klein,

und an der Tür ließ ich sie sein.

Ich glaube, sie war froh.

 

Sie torkelte zum Blumenhain

und fand gleich eine Rosenblüte,

kroch in den Blütenkelch hinein

und blieb nicht lange dort allein. –

Ich freu‘ mich, dass ich mich bemühte

um dieses bisschen Güte.

 

Geburtstage

 

Meinen Tag im Februar –

sie ließ ihn unbemerkt verstreichen,

und ihren Tag, der später war,

den konnte ich nicht mehr erreichen.

 

Hab´ ihr verspätet dann geschrieben,

erhielt von ihr die Antwort prompt:

Ja, leider sei es unterblieben,

wie leicht doch was dazwischen kommt!

 

Sie sei ganz lange krank gewesen

und erst seit kurzem wieder fit

und zweifle noch, ob sie genesen

von jenem Leid, an dem sie litt.

 

Ich habe mir den Rest gedacht

und später dann mit ihr gesprochen.

Sie hat schon wieder leis´ gelacht

nach all den schweren Wochen.

 

Danach bin ich mit Schritten schwer

durch Wald und Flur gegangen,

wog die Gedanken hin und her,

die Eigensucht in meinem Bangen.

 

Sie sprach von kleinen Krokusblüten,

zu denen sie die Schritte lenkt.

Auch ich will jede Freude hüten!

Sie wird mir jeden Tag geschenkt.

 

Ratten

 

Als Kind hab ich allein gespielt,

gab  meinem Teddy einen Namen,

der alle Zärtlichkeit enthielt:

Er hat mich freundlich angeschielt,

hat wollig- weich sich angefühlt,

er ließ sich gern umarmen.

 

Er war mein Kind, ein Teil von mir,

und teilte Freude und den Gram.

Ich nannte ihn mein Plüschitier,

und beste Freunde waren wir,

bis ich zu Jahren kam.

 

Allein bin ich nun gar nicht mehr,

manchmal in schlechtester Gesellschaft:

die bösen Geister um mich her,

sie garantieren Wiederkehr,

und alte Schuld wiegt doppelt schwer,

wenn nichts mein Leben hell macht.

 

Dann kriechen sie aus dem Versteck

und pfeifen wie die Ratten.

Das macht mir einen jähen Schreck.

Sie hinterlassen Rattendreck,

sie, meines Lebens Schatten.

 

Bleibt  Gottvertrauen standhaft stehn,

wenn mich nichts andres rettet?

Wird bei dem grausen Weltgeschehn,

von dem wir täglich Bilder sehn

noch Frieden in die Seele wehn,

der mich beschützt und bettet?

 

„Wer wird‘s machen, wer wird’s richten,

über mein Entsetzen wachen

und die große Angst vernichten?

Möchte mir zwar Hoffnung machen,

muss auf Garantien verzichten.

 

Irgendein Café wie dieses

  

Hast du Zeit und Appetit

- ohne Frau, Mann oder mit -

oder hast du Langeweile,

ohne Eile,

bist mal gerne ganz allein,

um mit dir selbst zu zweit zu sein,

liebst du Kaffee oder Tee,

geh ins Cafe!

 

Geh nur nicht in irgendeines,

such vor allem dir ein kleines,

wo du nach ein paar Besuchen

„Deinen“ Kuchen,

den du zweimal vorzugsweise

un-verschämt, jedoch auch leise

bei der Kuchenfee bestellst,

von selbst erhältst.

 

Geh auch nicht in so ein kaltes

sondern lieber in ein altes.

Stell dir vor, dass mit Bedacht

Torte wird von Hand gemacht.

Und es mangelt nicht an Pep den

guten alten Haus-Rezepten,

kriegst an jedem Omatisch

den Kaffee frisch.

  

Schon nach ein paar Wiederkehrten

siehst du Kaffeehausgefährten:

Damenkränzchen laut und lustig,

etwas pustig,

ab und zu ein Liebespaar,

sie und er mit grauem Haar,

oder manchmal auch ein Pärchen

wie im Märchen.

 

Manchmal ein Familienfest,

das sich hier gut feiern lässt,

da es sehr die Nerven schont,

wo man wohnt.

Selten eine Männerrunde,

die dann wuchern mit dem Pfunde:

Jeder ist mit vollem Recht

ein toller Hecht.

 

Oma zahlt das Sahneeis

für den Enkel Naseweis,

der guckt frech im Raum herum,

lacht sich über Leute krumm.

In der Ecke wird es hitzig:

Trennung, Scheidung – gar nicht witzig,

und es geht um Unterhalt -

möglichst bald.

 

Zwei ernste Frauen schau´n herein,

es müssen sehr Vertraute sein,

sie sehn sich offen ins Gesicht

und lachen nicht.

Und du spürst, die beiden teilen

Freud und Leid beim hier Verweilen,

tauschen ohne Schutz und Schild,

unverhüllt, was sie erfüllt.

 

Dieses Haus ist ein Asyl

für mitmenschliches Wohlgefühl,

kann beim Freuen und sich Härmen

dich erwärmen.

Wie und wer und was du bist,

ob du statt Kuchen Mettwurst isst,

magst Likörchen oder Bierchen:

Jedem Tierchen sein Pläsierchen!

 

Manchmal wird dir etwas glücken:

Keines andren Menschen Rücken

sitzt, wenn du kommst, frech und frisch

an „deinem“ Tisch.

Kerze wird für dich entzündet,

und dein Lieblingskuchen mündet.

Du bist endlich angekommen,

angenommen.

 

Sieger sein?

 

Will nicht mehr der Sieger sein,

nicht des Tags als Kriegerlein

nie mich unterkriegen lassen,

niemals mich besiegen lassen.

 

Will nicht mehr dazugehören,

wenn sie ihren Einfluss mehren,

wenn sie kungeln, wenn sie mauscheln

und die heißen Tips austauschen.

 

Ich kann auch beiseite stehen,

nicht mehr klar zur Sache gehen,

bleibe nicht nach jedem Fall

hart und zäh an jedem Ball.

 

Will nichts mehr zu sagen haben,

lieber sie zu fragen wagen,

wenn sie tuscheln, heimlich lachen

und sich richtig lustig machen.

 

Ich will nicht am Hebel sitzen,

lasse niemanden abblitzen,

lass´ mir nichts für nichts abkaufen,

doch die andern nicht auflaufen.

 

Nicht der Mann am Drücker sein

und ganz einfach bigger sein,

sitz´ nicht mehr auf hohem Ross,

bin nun endlich nicht der Boss.

 

Ich will lieber klüger sein

als irgend so ein Führer sein,

will nach all den Märschen

nicht mehr irgendwen beherrschen.

 

Bist du hart und wackelst nicht

und verlierst nie dein Gesicht,

ist die Seele bald verschoben,

du jedoch bist endlich oben.

 

Oben ist die Luft viel kälter.

Höher steigt und tiefer fällt, wer

Höhenflüge ausprobiert,

jämmerlich dabei verliert.

 

Ist dein Atem auch am längsten,

ist dir insgeheim am bängsten.

Du wirst immer müder sein

von dem dummen Sieger-Sein.