Politisches Kap 1

Gedenkminute – 11.September 2001

 

Wenn du dich sehr beeilst,

kannst du bis hundert zählen

beim weltumspannenden Gedenkminuten-Denken.

Wenn du ein wenig mehr verweilst,

fängst du von selber an zu wählen:

Wem willst du deine Andacht schenken?

 

Den vielen Opfern, namenlos?

Dem Schicksal, das dich rührte?

Dem Toten oder dem, der ihn im Leben liebte?

Dem gnadenlosen Zufall bloß,

der einen ins Verderben führte,

den andern leicht ins Leben siebte?

 

Warum nicht diesmal ich?

Was haben sie voraus?

Um welche Art von Leben wurden sie betrogen?

Wann trifft das große Unglück mich?

Wer wählt die Opfer dafür aus?

Wird irgendwo ein Los gezogen?

 

Sind wir nun alle „Amerikaner“?

Wo waren damals die „Indianer“,

die „Hutu“,„Tutsi“, „Kambodschaner“

und „Kurden“, „Serben“ und „Albaner“ –

die Freunde jener Völkerscharen,

die Opfer waren?

 

Wer zündet das Verbrechen,

das irgendwer begeht?

Und wiegt besonders schwer der Opfer große Zahl?

Wird es gerecht, wenn wir sie rächen

und daraus Unrecht neu entsteht?

Hat Mensch bei so etwas die Wahl?

  

Was denkt bei sich der Täter,

wenn er sein Leben gibt?

Für welchen Preis hat er sich wem verpfändet?

Die böse Tat hat viele Väter.

Von welchem Volk wird er geliebt,

wenn durch ihn andrer Liebe endet?

 

Wer kann die Tat verhindern,

dem Täter aus der Hand

das Instrument entwinden,

wenn alles Waffe wird?

Wie können Menschen Unrecht mindern,

so ehrlich, dass in keinem Land

nicht wieder wer das Feuer schürt?

 

Die Fragen weniger Minuten,

with answers blowing in the wind.

Und zeigst du Fremden deine Tränen,

denkst du an Fremde, die verbluten,

an Väter, Mütter oder Kind.

Und es gibt Menschen die sich schämen,

weil sie´s nicht selbst

und es nicht ihre Liebsten sind.

 

Zuflucht

 

Die Felseninsel vor dem Strand

war schwarzer Vögel Heimatland.

Sie hockten dort und reckten sich,

die Flügel breit gestreckt ins Licht.

 

Der kleine, kahle Inselstaat,

er maß einfünfzig im Quadrat,

war Gästen aus dem hohen Norden

zum Wirtschaftsflucht-Asyl geworden.

 

Dort in der schwarzen Vogelschar

sah ich ein Möwen-Flügelpaar.

Sie reckte sich und streckte sich

und drehte sich im Sonnenlicht.

 

Sie war hierher zurückgekehrt.

Das Landen wurd‘ ihr nicht verwehrt.

War einem dieser Vögel klar,

wer hier Asylbewerber war?

 

 

Dschihad

 

Ich heiße Achmed, und bin dreißig,

bin Moslem, arm und arbeitslos,

dass ich hier euer Gast bin, weiß ich,

die Sehnsucht, hier zu sein, war groß,

 

denn dort war Krieg und große Not,

und Fliehen schien mir zu gelingen.

Es brachte vielen nur den Tod.

Mir sollte es die Freiheit bringen.

 

Ich kann in eurer Welt nichts werden,

bin fremd hier und werd’s immer sein,

ihr gebt mir Geld, zu viel zum Sterben,

und duldet mich, doch nur zum Schein.

 

Ihr lasst mich hier in gar nichts rein.

Das Leben läuft an mir vorbei.

Ich fühl mich schwach und klitzeklein,

bin eingesperrt und dennoch frei,

 

mir meinen Mut zurückzuholen,

mein Lebensrecht in dieser Welt.

Man hat mir meinen Platz gestohlen

und all das Gute, was hier zählt,

 

und das bei näherem Beschaun

doch gierig schamlos Lüge ist,

zu brüchig, um hier zu vertrauen,

dass Christsein sich an Liebe misst.

 

Ich will hier nicht dazugehören,

euch dennoch, mich zu sehen, zwingen,

will eure satte Ruhe stören,

vereint mit vielen wird’s gelingen,

 

das Gottesreich hier zu errichten,

wo tausend Teufel wohnen.

Wir werden strafen, euch vernichten,

und Allah wird‘s uns lohnen.

 

Der Politiker

 

Der Meinung Vielfalt ist er Meister.

Er kennt fast jede Position.

Was sie, was er so meint, das weiß er

bei ihrem, seinem Anblick schon.

 

Kann, was er meint, für sich behalten,

und sei es noch so obergärig.

Will locker er sein Amt verwalten,

sagt er nur das, was mehrheitsfähig.

 

Er kennt sich aus in den Gerüchten

und in der chronique scandaleuse

der minder und der gut Betüchten.

Nichts macht ihn irgendwie nervös.

 

Denn sein Beruf ist Politik,

da braucht man starke Nerven

und das besondere Geschick,

dass andere das Handtuch werfen.

 

Ein neuer Löwe

 

Der alte Löwe war gestorben.

Sein Harem war nun aus dem Lot.

Ein neuer Löwe, Boss geworden,

hat seine Löwenfrau umworben,

biß alle ihre Babies tot.

 

Er säte seinen Samen ein,

im Tierreich ist das so der Brauch.

Die Löwin ließ sich darauf ein,

es war halt so und musste sein,

denn Tiere handeln aus dem Bauch.

 

Was wir nun seh’n in USA –

uns macht es einen großen Schreck:

Ein neuer Präsident ist da

und stampft sogleich mit viel Hurrah

die Spur des alten  weg.

 

So geht es zu im Menschenleben.

Wir brauchen für die Raubtierhaltung

von solchen skrupellosen Flegeln

die allerschärfsten Anstandsregeln

und dazu in der Staatsverwaltung

statt rücksichtsloser Selbstentfaltung

die Gültigkeit des Rechts.

.

Allahs Schwert

 

Ich will wie eine Bombe ein!

Ich geh´ ins Land der Feinde rein

Ich will, dass meine Feinde schrei´n

und schlag´ wie eine Bombe ein.

 

Sie haben unser Land gestohlen!

Sie töten Kinder, unverhohlen!

Sie mauern uns im Elend ein!

Sie kriegen uns nicht klein.

 

Sie haben unser Recht zerstreten!

Und mit dem Unrecht, das sie säten,

uns Krieg und Not und Tod beschert!

Uns dennoch nicht entehrt.

 

Den Hochmut, den sie in sich tragen,

den kümmern keine bitt´ren Klagen,

sie wollen gar nichts davon hören,

nur unser Volk zerstören.

 

Deswegen will ich Bombe sein!

Ich geh´ ins Land der Feinde rein!

Ich will, dass meine Feinde schrei´n.

Bin Allahs Schwert und schlage ein.

 

Frau auf der Flucht

 

Da ist die Frau mit schwerem Leib,

so voll des ungewollten Lebens

und so allein in ihrem Leid,

Erlösung flehend, doch vergebens.

 

Ihr Haus verbrannt,

verjagt, vertrieben

von ihrem Land.

Die Heimat konnte sie nicht schützen,

drei Kinder sind ihr noch geblieben.

Wem wird ihr Leben nützen?

         

Den Kindern, die sie nicht mehr nährt?

Die Brüste leer, ihr Magen auch.

Das Elend, das ihr widerfährt,

noch böser als ein leerer Bauch.

 

Man zeigt ihr ein „gelobtes Land“,

die Menschen dort sind satt und froh,

und Fremden freundlich zugewandt….

„Ich bring dich hin.“ - Sie sehnt sich so.

 

Der Hoffnung folgend sich verschuldet,

im fremden Land sich bald verlaufen,

und jede Schmach und Qual erduldet,

wird sie sich selbst verkaufen.

 

Und mich, der ich euch das erzähle,

lässt es durchaus in Frieden ruhn.

Verberge manchmal eine Träne,

wobei ich manches Mal mich schäme,

statt was zu tun.

  

Der Kampf um Männer-Macht und -Ehre.

Der Hass, die Gier, die Sieges-Sucht!

Wenn das doch endlich nicht mehr wäre,

und auch bei uns nicht widerkehre!

Millionen Menschen auf der Flucht! 

 

Erpel im Teich

 

Hab‘ still den Enten zugeschaut

von einer Parkbank dicht am Fluß.

Ein Erpel hat sich vorgetraut,

kein and‘rer schnatterte so laut.

Ob er so laut sein muss?

 

Der Erpel scheucht ein Wasserhuhn

von dieser Futterstelle fort.

Die Konkurrenz lässt ihn nicht ruh‘n,

er scheut sich nicht, Gewalt zu tun

an diesem stillen Ort.

 

Da war die Frau mit ihrem Kind,

und das verstreute Futter.

Es war besorgt, wie Kinder sind,

dass jedes Tier sein Futter find‘,

und rief nach seiner Mutter:

 

„Das Kleine dort kriegt gar nichts ab!

Das ist gemein und ungerecht!“

Dabei war’s Futter gar nicht knapp,

doch wurd’s dem Kleinen weggeschnappt

vom Erpel, der so gierig zecht.

 

Der reckte sich und streckte sich:

„Seht her, ich bin der Sieger!“

Ich dachte mir: „Wie fürchterlich!

Vor diesen Typen fürcht‘ ich mich:

Die rücksichtslosen Volksbetrüger!“

 

Sie herrschen nach nur einem Plan,

die Gier nach Macht, und dass sie bliebe.

Ihr Größenwahn, er bricht sich Bahn,

kennt keine Skrupel, keine Scham…

Von ihnen gibt es viele.

 

Ihr Wasserhühner dieser Welt

kommt her und gackert laut und lange,

bis es in Erpels Ohren schellt,

und er  sich an  die Regeln hält,

denn vielleicht wird ihm angst und bange,

dass seine Macht zerfällt