Jahreszeitliches Kap 2

Der Mai

 

Er kommt, wenn er kommt mit Urgewalt,

so dass es durch Felder und Wälder schallt

in Häusern und Gärten widerhallt –

der Mai ist nah!

 

Aus den Zweigen im Gebüsch

sprießen Blätter, jene zarten.

Lüfte wehen trügerisch,

manchmal lau und manchmal frisch

leise durch den Garten.

 

Graues Laub wird bald vergehen,

kahles Astwerk wird nun grün,

wölbt sich über die Alleen,

Ich werd‘ Apfelbäume sehen,

die am Straßenrand erblühen.

 

Meisen, die sich morgens necken,

geben meiner Nacht den Rest,

Finken schwirren, flirren, zetern, zecken.

An der Hauswand und in Hecken

feiern sie ihr Frühlingsfest.

 

Jungen, Mädchen seh´ ich hüpfen,

lachend auf dem Weg zum Bus,

aus den Winterjacken schlüpfen,

sich betüpfen, rüpfen,  züpfen

und sich sehnen nach ´nem Kuss.

 

Ich seh‘, wie er kraftvoll die Fäuste ballt,

und höre, wie’s überall knackt und knallt,

und fühle, wie er sich ins Leben krallt –

Der Mai ist da!.

 

Frühlingstag

 

Den Schlaf noch gar nicht abgeschüttelt,

steh´ ich im Dämmerlicht.

Den Vorhang auf, und unvermittelt

blick´ ich hinaus, werd´ wachgerüttelt

von dem, was in mein Dunkel bricht.

 

Die roten Ziegeldächer leuchten

mich an von gegenüber,

die Sonnenstrahlen, die den feuchten

Moder aus dem Gras erscheuchten,

sie singen Frühlingslieder.

 

Das Zwitschern in den kahlen Zweigen,

das Vogel-Flügel-Flattern

und Knospen, die schon Farbe zeigen,

und Nachbarn, die sich leicht verneigen,

am Teich das Entenschnattern.

 

Ich wende mich mit leichtem Sinn,

den Krokusblüten zu,

schau´ nach den Quitten-Blüten hin,

und lächle, weil ich glücklich bin,

bei dem, was ich jetzt tu`.

 

Da ist sie, diese junge Kraft,

sie zuckt durch alte Glieder.

Und was sie in mir Neues schafft,

so wunderbar und fabelhaft,

kehrt es jetzt wieder?

 

Kehrt er zurück der alte Traum,

so oft geträumt und oft ernüchtert,

von lieben, glauben und vertrau‘n,

vergeben und nach vorne schau‘n,

uneingeschüchtert?

Der Huflattich* blüht:

Frühling auf der Deponie

 

Ein blaues Band

und ahnungsvoll die Lüfte.

Dort, wo ich staunend stand,

umweh‘n mich dumpfe Düfte.

 

Aus grauem Müll

glimmt gelb die Sonnenblüte

am blätterlosen Stiel,

als ob sie sich verfrühte.

 

Sie streckt sich aus

so wie ein Außenfühler

an diesem Unrat-Haus,

mal wärmer und mal kühler.

 

Zuckt nicht zurück

bei Eis und Schnee im März

und weicht kein kleines Stück,

schaut tapfer himmelwärts.

 

Und spiegelt klein die Strahlen

der Sonne, die dort glühte.

Die ist, wenn Kinder malen,

so schön wie diese Blüte.

 

Spätsommer

 

Noch ist es Sommer. Warum schneide

ich ab die welken Rosen?

Sie stacheln zwar, doch ich beeile

mich, sie noch einmal zu liebkosen.

 

Ich hab´ den jungen Trieb gesehn

und Knospen, die sich zeigten.

Sah sie dann flammenrot erblühn,

wie sie sich reckten und sich neigten,

 

duftschwer, der Sonne zugewandt,

dann langsam sich entblättern,

als sei´n sie satt und ausgebrannt,

bereit, im Winde zu zerfleddern.

 

Nun liegen weich in meiner Hand,

die Blüten, die ich wählte

mit eigensüchtigem Verstand,

als ob nichts andres zählte.

 

Schneeglöckchen

 

Der Eiswind lässt die Ohren glühn.

Ich grab die Hände in die Taschen.

Erstarrt das Laken überm Grün!

Wird jemals eine Knospe blühn,

mich eines Tages überraschen?

 

Ein Pflänzchen mit gesenktem Hut

lässt sich durch Frost nicht zähmen,

durchbricht den Schnee, der auf ihm ruht,

als müsste es sich für den Mut

Zeit seines Lebens schämen.

 

Dir, kleine Blume, Dank für diesen

Lichtblick in der dunklen Zeit!

Noch locken keine warmen Wiesen.

Sei Du für deinen Mut gepriesen,

für Trotz und Unerschrockenheit.

 

Der  Kuckuck

 

Ich  höre gern der Lerche zu,

wenn überm Felde ohne Ruh

sie jubelt aus der Vogelbrust

die Lebenslust.

 

Ich lausche gern dem Drosselmann,

den man vom frühen  Morgen an

so herzbetörend flöten sieht,

sein Liebeslied

 

Und auch das Lied der Nachtigall

weckt meiner Seele Widerhall.

Ich fühl zur späten Abendzeit

die Traurigkeit.

 

Doch  wenn im Mai der Kuckuck schreit,

weiß ich  nicht recht, ob mich das  freut,

zähl meine Jahre nach und teile

mit ihm die Langeweile.

 

„Kuckuck, Kuckuck“, klingt`s aus dem Wald,

„Kuckuck, Kuckuck“, hör, wie es schallt.

Da er sonst nichts zu sagen hat,

klopft er den eignen  Namen platt.

  

Frosteinbruch

 

Die Amsel hatte schon gebalzt

und Krokusse war´n fast verblüht.

Die Straßen waren längst entsalzt,

und Frühling sang sein Vogellied.

 

Kalendermäßig war es lau,

so um die fünfzehn, sechzehn Grad,

der Himmel sonnig, weiß und blau,

doch dann kam der Verrat:

 

Die Temp´raturen wurden eisig,

es fing ganz plötzlich an zu schnei´n,

die Hausbesitzer waren fleißig

frühmorgens wieder mal beim Streu´n.

 

Gesichter, die sich aufgehellt,

sie wurden wieder grau und trübe,

wer sich einander zugesellt,

verschob erst mal die Liebe.

 

So können Hoch und Tief

ein neues Schicksal bräuen.

Nimm alles wie es läuft und lief

und wag nicht, dich zu früh zu freuen.

 

Sommerhitze

 

Das Terrier-Tier im dichten Fell

liegt flach auf kühlen Fliesen.

Kein frohes „Bin-schon-da“-Gebell,

sein Atem hechelt kurz und schnell.

Man möchte es begießen.

 

Die Hand, die sonst die Hacke hält,

betupft die Stirn. Er stöhnt

und beugt sich tiefer auf das Feld,

den Oberkörper freigepellt,

vom Lerchensang verhöhnt.

 

Den Schatten sucht die Kreatur.

Dort tummeln sich die Mücken.

Des grellen Lichtes welke Spur

schont solche matten Pflanzen nur,

die sich an Büsche drücken.

 

Letzte Blüte

 

Am welkenden Hibiskusstrauch

da hofft die letzte Knospe,

dass sie wie ihre Schwestern auch

vom Licht der Sonne koste.

 

Sie ist so frühlingsprall und rot

im gelben Blätterkleid,

um sie herum der stille Tod,

doch sie nimmt ihre Zeit.

 

Ich wünsche ihr, sie möge blühen,

bevor der Frost sie sterben lässt,

und dass sie nach des Wachsens Mühen

erlebt ihr spätes Blütenfest.

 

Herbstzauber

 

Das letzte Leuchten später Rosen,

der Sommersonne milder Glanz,

der Wespen Rausch, ihr trunk‘nes Tosen,

Millionen Mücken müder Tanz  -

 

Dies ist ein Herbsttag, weich und warm

mit gold‘nen Früchten in den Bäumen.

Im bunten Welken wirkt ein Charme

um still zu trauern und zu träumen.