Die Spinne und die Fliege,
die etwas klüger sein wollte
(frei nach James Thurber)
Die Spinne, die ein Netz sich baute
und jede Fliege fing,
die sich auf diesen Boden traute,
und sie zerkaute und verdaute
so schnell, wie´s irgend ging,
die schaffte dann die Fliegenleichen
aus ihrem Netze fort,
denn andre Fliegen würden weichen,
seh´n sie ein Netz mit Fliegenteilchen.
Das wär´ kein sich´rer Landungsort.
Doch eine Fliege kam und lachte,
fiel auf den Trick nicht rein.
Als sie das Risiko bedachte
und um das Netz ´nen Bogen machte,
lud sie die Spinne ein:
„Komm ruh dich aus. Hier ist es schön,
mein Teppich weich und prächtig!“
„Nein!“, sprach die Fliege, „ich kann seh´n,
dass andre Fliegen hier nicht stehn,
und dass ist sehr verdächtig.
Flieg´ ich zu Fliegen-Freunden hin,
bin ich dort nicht allein.
Und wo ich in Gesellschaft bin,
ist Sicherheit mein Hauptgewinn.“
Und flog - auf Fliegenleim.
Der Augenschein kann dich betrügen,
in falscher Sicherheit dich wiegen.
Al und Arthur
(frei nach James Thurber)
Da war ein Biber-Brüderpaar,
von denen Arthur älter war
als Al, des Arthurs kleiner Bruder,
der faul war und ein lock´res Luder.
Er schwamm herum und niemals nagte
er Holz, weil ihm das nicht behagte,
er spielte mit den Bibermädchen,
an jedem Tag ein Tet-a-Tetchen.
Bis er sich dann verlieben tat
und jene Biberin umwarb,
auf die auch schon sein Bruder hoffte,
und deshalb derb mit diesem zoffte.
Die Biberin entschied sich für
den Arthur, denn der hätte ihr
doch schon so manchen Biberdamm
gebaut und klotze richtig ran,
wogegen Al es zu nichts brächte
und nur an sein Vergnügen dächte,
an Essen, Schlafen, Schwimmen, Spielen
mit Leuten, die ihm so gefielen.
Doch Arthur machte sehr bald schlapp:
Er kaute seine Zähne ab,
Er wurde depressiv und krank,
starb bald, und das war nun der Dank.
Sein Bruder aber kennt kein Leiden,
Er ist steinalt und spielt in Freuden
mit Biberweibchen Blinde Kuh
und schaut den fleißigen Bibern zu.
Wer so ein Biber-Männchen ist
und lieber Bibermädchen küsst,
als dumme Dämme zu errichten
und Zeit und Zähne zu vernichten,
der wird vom Bibervolk beneidet,
weil er mit Fleiß den Schweiß vermeidet.
Flötentöne
Ich hab´ ´ne Amsel auf dem Dach,
die singt frühmorgens und zur Nacht,
sie flötet süß ihr kleines Lied
auch dann, wenn niemand sie dort sieht.
Für wen ist dies Geschenk bestimmt?
Ob die, die es entgegennimmt,
den Spender dafür feurig liebt?
Ob er sein Bestes gratis gibt?
Sie singt wohl nicht für meine Ohren,
hat dafür keinen Laut verloren,
sie schenkt mir überhaupt nichts Lautes,
nur ab und zu mal ihr Verdautes.
Der Wolf und das Zicklein im Stall
(frei nach Äsop)
Das Zicklein war in sichrer Hut
im Hof bei einem Bauernhaus.
Es sah den Wolf und hatte Mut
und meckerte ihn richtig aus.
Der blieb ganz ruhig und bemerkte:
„Du bist ein wirklich dummes Tier!
Der sichre Ort ist´s, der dich stärkte.
Sonst fehlt dir jeder Mut dafür.“
Es kommt sehr auf den Umstand an,
ob man sich Mut auch leisten kann.
Falsche Federn
(frei nach Samaniego)
Der Krähe ist ihr schwarzes Kleid
doch eines schönen Tages leid.
Da sie es nicht mehr leiden kann,
zieht sie sich Pfauenfedern an
und macht sich so an Pfauen ran.
Der Ober-Pfau sagt: „Was ich sehe,
ist immer noch ´ne schwarze Krähe.
Die Pfauenfedern passen nicht
zu deinem schwarzen Kräh´n-Gesicht.
Hau endlich ab, wir hassen dich!“
Die arme Krähe macht sich fort,
versucht´s an einem andren Ort,
wo Krähen sich zu sammeln pflegen.
Sie zeigt sich dort den Art-Kollegen
der Federn und der Schönheit wegen.
Doch diese mögen sie so nicht,
so dass sie das zu hören kriegt:
„Willst du dich nicht wie Krähen kleiden
und dich von Krähen unterscheiden,
dann mögen Krähen dich nicht leiden!“
Wohin sollst du am Ende weichen,
bleibst du nicht so wie deinesgleichen.
Der Bär, der sich besann
(frei nach James Thurber)
Da war ein Bär, der gerne trank,
er wurde davon zwar nicht krank,
gewöhnte es sich aber an,
soff täglich, nicht nur dann und wann.
Er wankte nachts sehr spät nach Haus,
zog Bären-Hemd und -Hose aus
und dabei hörte man ihn stöhnen
in tiefsten, bärenstarken Tönen.
Dann stieß er noch die Lampe um,
und drückte Jalousien krumm,
als er sich gegen diese lehnte,
weil er sich schon im Bette wähnte,
und zwar auf einem Bettgestell,
bedeckt mit einem Bären-Fell,
das er für die Matratze hielt,
was weiter keine Rolle spielt.
Das Fensterglas zersplitterte,
und die Familie zitterte...
Dann ließ er Wanken, Schwanken sein,
fiel auf den Bauch und schlief dort ein.
Die Bären-Kinder, sehr verschreckt,
die hatten sich im Schrank versteckt,
und Bären-Frau war sehr bekümmert,
dass sich sein Zustand noch verschlimmert.
Bis eines Tags er sich besann,
das Saufen ließ, und er sodann
Gesundheit auf die Fahne schrieb
und jede Art von Sport betrieb.
Lud er ins Haus sich Gäste ein,
dann sollten sie auch Zeugen sein,
zu welcher Sportlichkeit es führt,
wenn Bär Enthaltsamkeit probiert:
So stand er Kopf , lief auf den Händen ,
schlug Rad und schwang die Bären-Lenden
und dabei hörte man ihn stöhnen
in tiefsten, bärenstarken Tönen.
Dann stieß er noch die Lampe um
und drückte Jalousien krumm,
als er sich gegen diese lehnte,
weil er sie für Matratzen wähnte.
Das Fensterglas zersplitterte,
und die Familie zitterte...
Er übertrieb die Turnerein,
fiel auf den Rücken und schlief ein.
Die Bären-Kinder, sehr verschreckt,
war´n wieder mal im Schrank versteckt.
Und Bären-Frau war sehr bekümmert,
dass sich sein Zustand noch verschlimmert.
Weiß nicht, was du für besser hältst,
ob du nach vorn oder rückwärts fällst.
Ob auf dem Bauch, ob auf dem Rücken –
du liegst und musst dich nicht mehr bücken.
Warum bei allem Tun und Treiben
nicht gleich auch auf dem Teppich bleiben?
Spiegelbild
Da stand ein Tempel überm Tal,
für alle offen, die ihn fänden,
und drinnen war ein Spiegelsaal,
mit tausend Spiegeln an den Wänden.
Ein Hund schlich eines Tags hinein
und blickte in die Runde.
War in dem Saale nicht allein,
um ihn herum war‘n tausend Hunde.
Erschrocken zog den Schwanz er ein,
und knurrte, fletschte seine Zähne,
und bellte giftig und gemein
und sträubte Nackenfell und Mähne.
Und tausend Hunde machten mit:
sie zogen ihre Schwänze ein,
sie knurrten, fletschten ihre Zähne,
sie bellten giftig und gemein
und sträubten Nackenfell und Mähne.
Verschreckt läuft dieser Hund davon
und weiß nicht, was er denken soll:
Die Welt hat einen schlechten Ton,
sie ist von bösen Hunden voll.
Ein Hund, der diesen Tempel fand
am nächsten Tag, trat auch hinein.
Mit tausend Hunden an der Wand
begann er sich zu freu’n.
Er wedelte mit seinem Schwanz,
sprang fröhlich hin und her,
vollführte einen Freudentanz,
das fiel ihm gar nicht schwer.
Denn tausend Hunde machten mit:
Sie wedelten mit ihren Schwänzen,
und sprangen fröhlich hin und her,
in ihren Freudentänzen,
und das gefiel ihm sehr.
Erfreut läuft dieser Hund hinaus
und weiß auch, was er denken soll:
Er fühlt sich in der Welt zu haus,
sie ist von netten Hunden voll.
Da steht ein Tempel überm Tal,
für alle offen, die ihn fänden,
und drinnen ist ein Spiegelsaal,
mit tausend Spiegeln an den Wänden.
Der lügenhafte Hirt
frei nach Äsop)
Ein Hirte, der nicht gern allein war
beim Hüten seiner Herde,
nahm Wölfe oft nur so zum Schein wahr,
als ob er angegriffen werde.
Er rief dann"Hilfe, Wölfe!" und das oft
und andre Hirten wollten retten
und eilten zu ihm, wie erhofft,
als wenn sie was zu retten hätten.
Bald wurde diese Lüge platt.
Als niemand mehr zu Hilfe kam,
erschien der Wolf und wurde satt,
da er sich alle Schafe nahm.
Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht,
auch wenn er 'mal die Wahrheit spricht.
Doch manche lügen Tag und Nacht,
und haben's damit weit gebracht..
Die Henne und der Himmel
(frei nach James Thurber)
Im Hühnerhof das rote Huhn,
wie emsig es sich bückte.
Sein Schnabel hatte viel zu tun,
wenn es die Körner pickte.
Doch plötzlich traf den Kopf ein Schlag,
vielleicht von einem Stein,
das Huhn im Hühnerhof erschrak,
fing heftig an zu schrei‘n:
„Der Himmel stürzt, die Welt geht unter!
In wenigen Minuten!“
Da lachten unbeeindruckt munter
die Hähne, Enten, Puten.
„Dir fiel ´ne Erbse auf den Kamm“,
sprach Hahn, des Hofes Wächter.
So laut, wie man nur lachen kann,
erklang das Spottgelächter.
Doch da mit schrecklichem Getöse
zerbarst das Himmelszelt,
eisblaue Brocken stürzten böse
auf unsre schöne Welt.
Der Hahn, die Henne - prompt erschlagen,
und Tod dem schönen Schein,
der ganzen Welt ging´s an den Kragen:
Der Himmel stürzte ein.
Es würde mich nicht überraschen
wenn er´s tatsächlich täte.
Ich würd´ den letzten Flug erhaschen –
zum Mars, falls ich mich nicht verspäte.
Die eitle Krähe
(frei nach Samaniego)
Der Krähe ist ihr schwarzes Kleid
doch eines schönen Tages leid.
Da sie es nicht mehr leiden kann,
zieht sie sich Pfauenfedern an
und macht sich so an Pfauen ran.
Der Ober-Pfau sagt: „Was ich sehe,
ist immer noch ´ne schwarze Krähe.
Die Pfauenfedern passen nicht
zu deinem schwarzen Kräh´n-Gesicht.
Hau endlich ab, wir hassen dich!“
Die eitle Krähe macht sich fort,
versucht´s an einem andren Ort,
wo Krähen sich zu sammeln pflegen.
Sie zeigt sich dort den Art-Kollegen
der Federn und der Schönheit wegen.
Doch diese mögen sie so nicht,
so dass sie das zu hören kriegt:
„Willst du dich nicht wie Krähen kleiden
und dich von Krähen unterscheiden,
dann mögen Krähen dich nicht leiden!“
Wohin sollst du am Ende weichen,
bleibst du nicht so wie deinesgleichen.
Der Adler, der Hase und der Käfer
(frei nach Äsop)
In eines Käfers Höhle fand
ein Hase Schutz und Unterstand..
Ein Adler doch entdeckt ihn dort
und schleppt den armen Hasen fort.
"Ich gab doch Zuflucht jenem Hasen!"
erzürnt sich über alle Maßen
der Käfer. "Bei mir einzubrechen!
Ich muss den armen Hasen rächen!"
Er findet Horst und das Gelege.
Die Eier schafft er aus dem Wege,
zerstört total die Adlerbrut.
Und fühlt sich danach wieder gut.
Der Adler klagt dem Zeus sein Leid.
Der ist zu schneller Tat bereit,
erlässt ein strenges Zeus-Dekret
und darin steht:
"Die Adler sollen Eier legen,
wenn Käfer Winterruhe pflegen !"
So einfach kann die Lösung sein.
Doch sowas fällt nur Göttern ein.
Der Vogel und die Blume
„Ich möchte gern ein Vogel sein.
Und will dann nur für dich allein
den ganzen Sommer singen,
bei Regen und bei Sonnenschein
dir meine Lieder bringen!“
„Ich möchte eine Blume sein.
Und wäre ich auch noch so klein,
will ich dich in den Lüften
bei Regen und bei Sonnenschein
umweh´n mit meinen Düften!“
„Ich möchte deinen Duft für mich,
ich liebe ihn so fürchterlich,
kein andrer soll ihn haben!“
„An deinen Liedern soll sich nicht,
denn niemand liebt sie so wie ich,
irgendwer sonst dran laben!“
„Ich brech´ dich ab und flieg´ mit dir,
denn du gehörst von nun an mir,
zu meinem kleinen Nest.
Und dankbar wirst du sein dafür,
dass man dich duften lässt.“
„Ich ranke um dich einen Zaun,
mit Löchern drin, um rauszuschau´n,
wie ich ihn oft schon sah.
Und dann kann ich darauf vertrau´n:
Du bist mir immer nah.“
Der Vogel, der nach Ruhe lechzte,
sang tapfer weiter, bis er krächzte,
Die Blume, die sich tapfer zwang
zu duften, tat das, bis sie stank.