Fabelhaftes Kap 2

 Vogel im Käfig

 

In einem Vogelkäfig hockte

ein bunter Vogel ganz allein.

Als ich die Käfigtür entpflockte,

ihn mit der Hand ins Freie lockte,

da rührte er kein Bein.

 

Er blieb dort sitzen wie gelähmt,

sein Blick vermied die Tür.

Er war wie jemand, der sich schämt:

Man hatte sie ihm weggezähmt

die Lust aufs Fliegen und auf Kür.

 

Bunter Vogel, du sollst fliegen,

bleib nicht kleben, bleib am Leben!

Und hab keine Angst vorm Lieben!

Habe ihn hinausgetrieben,

sah ihn, seine Flügel heben

. 

Hahn und Pferd

 

In einer Pferdebox ein Hahn

ist dort mit einem Hengst alleine.

Der Gaul ist zwar schon alt und zahm,

doch rührt zuweilen seine Beine.

 

Der Hahn, der friedlich pickt und scharrt,

er sieht das Pferd die Beine heben.

Er ist in Äpfel von dem Pferd vernarrt,

und fürchtet um sein Leben.

 

„Lasst uns doch bitte achtsam sein!“,

so kräht der Hahn mit aller Süße,

„sonst treten wir, das wär‘ nicht fein,

einander auf die Füße.“

  

Nesthocker

 

Vier Amselküken sind schon raus

und flattern raschelnd in den Büschen.

Ein fünftes bleibt im Nest zuhaus

und lässt sich nicht ins Leben mischen.

 

Man lockt es mit den schönsten Tönen,

es guckt, als wollte es uns sagen:

„Dies Leben ist zum Abgewöhnen.

Ich denk nicht dran, den Sprung zu wagen.

 

Schon damals, als ich noch im Ei war,

kam mir das Streiken in den Sinn.

Was ihr denkt ist mir einerlei zwar -

doch sage ich euch, wer ich bin:

 

Ich tu nicht das, was ihr erwartet,

ich stell mich auf die Hinterbeine,

das bunte Leben, was jetzt startet –,

nein, nicht für mich, macht es alleine.

 

Was wird dort draußen denn mein Los sein?

Ihr lasst mich bald alleine picken.

Ich muss dort fleißig, flink und groß sein,

mich selbst nach Regenwürmern bücken.

 

Und müsste dann das Flöten lernen,

dreimal im Jahr auf Eiern hocken,

mich dann um meinen Nachwuchs härmen,

ihn gar nicht gern ins Leben locken.

 

Das, wovon wir uns einst ernährten,

die Käfer, Körner und das Kraut,

die Felder, Wälder und die Gärten

sind ökologisch längst versaut.

 

Da ist kein Ort mehr unbelastet,

kein Platz, der nicht zum Himmel stinkt.

Sah einen Vogel, der schon fastet,

der nur vom Tau die Tropfen trinkt

und kraftlos krächzt statt singt.

 

Bleib ich hier sitzen, müsst ihr mich,

weil es so Brauch ist, weiter füttern.“

So sprach es, und nun lässt es sich

auf Lebenszeit bemüttern.

 

Der Spatz und die Last des Himmels

 

Ein kleiner Spatz fiel von dem Ast,

auf dem er grad´ gesessen,

lag auf dem Boden, hätte fast

das, was er war, vergessen.

 

Denn als er zu sich kam, da sah

er in die Höhe ragen

sein eig´nes Spatzen-Füßchen-Paar,

als würd´s den Himmel tragen.

 

Des Firmamentes Welt-Gewicht

ruht auf den kleinen Krallen!

Sie wegzuzieh´n, riskiert er nicht:

Der Himmel würde fallen.

 

So liegt er steif und wie gebannt

auf seinem Vogelrücken,

starrt in die Wolken unverwandt,

wagt nicht, sich umzublicken.

 

Ein Rascheln und ein jäher Schreck:

Laub, das ein Windhauch trieb.

Der Spatz sprang auf, flog einfach weg

Der Himmel aber blieb.

 

Kleiner Spatz, pass auf dich auf!

Die große Welt nimmt ihren Lauf.

Du bist ein Feder-Leicht-Gewicht.

Drum überheb dich nicht!

 

 Die Ziege und der Wolf

(frei nach Äsop)

 

Der Wolf sieht eine Ziege grasen

 das karge Gras auf steilem Hang.

Und unter ihr, auf fettem Rasen,

 steht er und macht sich lang.

 

 Er kann die Ziege nicht erreichen,

 die ist vor ihm Sicherheit.

 Er mag von seinem Ziel nicht weichen,

weil er sich auf den Happen freut.

 

„Warum kommst du  nicht zu mir runter?

Das Gras ist reichlich, saftig, frisch,“

sprach er zum Zicklein und klang munter,

als lade er es ein zu Tisch.

 

„Du könntest dir die Beine brechen,

dort oben über Stock und Stein.

Dein Starrsinn wird sich bitter rächen,

Nun komm schon, bleib nicht dort allein!“

 

„Das Futter  dort ist wohl was Feines“,

ließ sich die Ziege nun vernehmen.

„Du denkst an deines, nicht an meines.

Doch ich denk lieber an mein Leben!“

 

Auch Ziegen können überraschen

und lassen sich nicht leicht vernaschen.  

 

 

 

 

Der Rabe und der Fuchs

 

Der Rabe saß auf einem Ast,

im Schnabel ein Stück Räucherspeck,

wie du’s noch nie gerochen hast.

Der Fuchs war davon hin und weg.

 

Doch war er schlau, wie Füchse sind.

Er sprach zum Raben: „Ach, Herr Rabe,

erzählt hat heute mir der Wind,

Sie hätten eine selt‘ne Gabe.

 

Sie sängen herzbetörend schön,

so rein und fein wie nie ein Mann

nun sah ich Sie und blieb hier stehn,

ob ich Sie einmal hören kann?“

 

Der Rabe hörte das sehr gern,

er wollte singen und begann,

den Rabenschnabelaufzusperr’n,

weil anders man nichtsingen kann.

 

Da fällt der Räucherspeck hinunter,

zum Fuchs, der unterm Baume lauert,

der fängt ihn und verzehrt ihn munter,

was gar nicht lange dauert.

 

Der Rabe krächzt und spuckt und schreit,

wie’s klingt ist ihm nun einerlei.

Das ist sein Lohn für Eitelkeit,

und Speck gib’s für dieSchmeichelei.

 

Alternative für die beiden

letzten Strophen:

 

Doch war er klug. Es fiel ihm ein,

gerade noch zur rechten Zeit,

der Fuchs ist listig und gemein

und voller Futterneid.

 

Er schloss nun seinen Schnabel wieder,

und kaute mit Genuss den Speck,

Und dann erst krächzt er seine Lieder,

der Fuchs war da schon weg.

 

Die Taube und die Ameise

 

Die Taube saß an einem

Bach und schaute einem Käfer zu.

Dem drohte böses Ungemach:

Ertrinken, Tod und ew’ge Ruh.

 

Er war beim Fliegen abgestürzt

und in den Bach gefallen.

Hat er sein Leben so verkürzt?

Gab’s nichts, um sich dran festzukrallen?

 

Wie sehr er es auch ausprobiert,

er kriegt den Flügeldeckelapparat

nicht aufgeklappt und resigniert,

und sinkt schon in sein nasses Grab.

 

Doch da entschließt sich einzugreifen,

die Taube, bricht ‘nen Stängel ab,

um ihn dem Käfer zuzureichen,

und der greift zu. Doch war das knapp.

 

Am Stängel zieht sie ihn an Land,

dort hebt der Käfer seine Flügel,

und fliegt davon, Ziel unbekannt. –

Vielleicht ein Maulwurfshügel?

 

Von dort sieht er ein Unheil nah’n:

Ein Taubenjäger schleicht heran,

hebt seine Flinte. Offenbar

peilt er die Taube an.

 

Das sieht der Käfer und greift an,

den Jäger, fliegt ihm ins Gesicht.

Des Jägers Flinte kracht sodann.

Doch treffen tut sie nicht.

 

Der Frosch, der vorgab, Arzt zu sein,

und der Fuchs

(frei nach Äsop)

 

„Ich bin ein Arzt und kann dich heilen

von jeder Krankheit dieser Welt!“

Als sie am Teich zu zweit verweilen,

sagt das der Frosch zum Fuchs,

der das doch sehr in Frage stellt:

 

„Wieso kannst du so etwas sagen,

wo du nur mühsam hüpfst und hinkst?

Ein Arzt zu sein, kannst du nur wagen“,

so sprach der Fuchs zum Frosch,

„wenn du dir selber Heilung bringst.“

 

Wenn jemand schon nichts Rechtes kann,

dann gibt er damit richtig an,

hält auf sich selber große Stücke

und tut sich dicke.

 

Alptraum

 

„Ach, Doktor, lässt sich da was machen,

sie sind doch Fachmann für so Sachen,

wie Leiden der gestörten Seelen,

und Träume, die uns Menschen quälen.

 

Denn nachts im Traume träume ich

von einem Drachen, fürchterlich,

er faucht und zeigt mir seine Zähne

und schüttelt wild die Drachenmähne.“

 

„Durchaus“, sagt da der weise Mann,

„ich wüsste, was man machen kann.

Es kostet leider etwas Geld.

Doch Sie sind ja recht gutgestellt.“

 

„Wieviel muss ich dafür bezahlen,

dass ich erlöst werd´ von den Qualen?“

„Fünftausend Euro, nehme ich.

Das ist es wert doch, hoffentlich?“

 

„Mein Seelenfrieden ist mit teuer,

doch Geld für dieses Ungeheuer,

soviel, dass meine Seele weint?

Ich mach den Drachen mir zum Freund!“

 

Alternative für die beiden  letzten  Strophen: Rabe und Fuchs

 

Doch  war  er klug. Es fiel  ihm ein,

gerade noch  zur rechten  Zeit,

der  Fuchs ist listig und gemein

und voller  Futterneid.

 

Er schloss nun seinen Schnabel wieder,

und kaute mit Genuss den Speck,

Und dann erst krächzt er seine Lieder,

 

der  Fuchs war  da schon weg.

Frederick, der Mäuserich

 

Die Mäuse liefen hin und her,

die Vorratskammern waren leer,

doch jetzt war Herbst. An allen Ecken

gab´s viel zu sammeln und verstecken.

 

Sie strengten sich gewaltig an

und schafften Wintervorrat ran.

Denn wenn es kalt wird und verschneit,

dann ist für Mäuse schlechte Zeit.

 

Da war einmal ein Mäuserich,

den kümmerte das alles nicht,

er saß und träumte vor sich hin,

und fand woanders Glück und Sinn.

 

„Ich sammle auch“, so sagte er,

„Mein Vorrat wiegt genausoschwer.

Er ist halt nur von and´rer Art.,

und wird auch anders aufbewahrt.

 

Ich sammle Sonnenstrahlen ein,

und Farben ziehe ich mir rein.

Geschichten und Gitarrentöne,

den Blumenduft und alles Schöne.

 

Mein Vorrat ist schon riesengroß,

und niemals werde ich den los,

kann ihn verstreun mit vollen Händen,

doch dieser Schatz wird niemals enden.

 

Ich habe Melodien im Kopf,

doch ihr nur Körner in ´nem Topf,

ich nähre mich von Wiesenduft,

von Abendrot und lauer Luft,

sogar von Chorgesang und Beten

und dem, was andre gerne täten

und doch nicht tun, weil sie ums Morgen

sich ruhelos und freudlos sorgen.

 

Ich hab das alles aufbewahrt,

und zehr davon nach meiner Art.

Das, woran ihr im Winter kaut,

ist schnell verschwunden und verdaut.

Doch was wir Künstler in uns tragen,

ist viel mehr als ein voller Magen.

 

Krähen

 

Die Krähen kreisen überm Feld

und fliegen dann zur Deponie.

Was dort vor ihren Schnabel fällt,

erspart so manche Müh.

 

Der Bussard hockt am Straßenrand

und hofft auf leichte Beute.

Er rührt fürs Futter keine Hand,

er hat ja seine Leute.

 

Es zinst und zockt im Bankbüro

der Banker mit den Kunden.

Es macht sie reich und stolz und froh,

hat man den Dreh gefunden.   

 

Mäuseplage

 

Die Mäuse wurden immer mehr,

und waren eine rechte Plage,

sie fraßen Vorratsspeicher leer,

und ganz verzweifelt war die Lage.

 

Doch unser Bauer wusste Rat,

Er stellte einen Kater ein,

und der war nützlich in der Tat,

und hielt die Mäuseplage klein.

 

Es tagte nun im Mäuse-Staat,

so wie in andren Staaten,

der frei gewählte Mäuse-Rat,

um diesen Notstand zu beraten.

 

„Wie können wir uns besser schützen

vor diesem Ungeheuer?“

„Nur eine List kann uns da nützen.

Ein Krieg wär viel zu teuer.“

 

„Der Kater müsste hörbar sein,“

so sprach ein kluger Mäuserich,

„An seinem Hals ein Glöcklein klein,

damit verrät er sich.“

 

„Wir wehren uns mit Glockenklängen!“

Der Mäuse-Rat war sehr erfreut.

Dem Feind das Glöcklein anzuhängen,

dazu war keine Maus bereit.

 

Der Mensch und der Stein

(frei nach Phaedrus)

 

Ein Philosoph sah viele Leute,

wie sie ein Bad betraten.

Am Eingang lag, und das nur heute,

ein Stein, dem sie sich nahten.

 

Ein jeder stolperte darüber.

Man nahm das Stolpern wohl in Kauf.

Nur einer bückte sich dann lieber

und hob den Stolper-Stein auch auf.

 

Man fragte unsern weisen Mann,

nach dem Nach-Hause-Geh´n:

„War´n  viele Menschen da, sag an!“ –

„Hab´ einen Menschen nur geseh´n!

 

Da war unter den vielen Leuten,

nur einer, der von all den Gaben,

die für das „Menschsein“ was bedeuten,

und die doch alle Leute haben,

Gebrauch gemacht.

Nur einer hat  vorausgedacht

 

Ob mir jetzt jemand sagen kann,

 warum wohl dieser weise Mann

sich nicht mal selber bücken kann?

 

Der  Rabe und der Fuchs

 

Der Rabe saß auf einem  Ast,

im Schnabel ein Stück  Räucherspeck,

wie du’s  noch  nie gerochen hast.

Der  Fuchs war davon hin und weg.

 

Doch  war  er  schlau, wie Füchse sind.

Er sprach  zum Raben: „Ach, Herr Rabe,

 erzählt hat heute mir der Wind,

Sie hätten eine selt‘ne Gabe.

 

Sie sängen  herzbetörend schön,

so rein und fein wie nie ein Mann

nun sah ich  Sie und blieb hier  stehn,

ob  ich  Sie einmal  hören  kann?“

 

Der  Rabe hörte das  sehr gern,

er  wollte singen und begann,

 den  Rabenschnabel  aufzusperr’n,

weil anders man  nicht singen  kann.

 

Da fällt der Räucherspeck hinunter,

zum Fuchs, der unterm  Baume lauert,

der  fängt ihn und verzehrt ihn munter,

was  gar  nicht lange dauert.

 

Der Rabe krächzt und spuckt und schreit,

wie’s klingt ist ihm nun  einerlei.

Das  ist  sein Lohn für Eitelkeit,

und Speck  gib’s für die Schmeichelei.